"Tatort"-Kritik Ist der "Tatort: Gott ist auch nur ein Mensch" Kunst oder kann er weg?
Boerne und Thiel kalauern sich in ihrem neusten Fall durch die Münsteraner Skulpturen-Tage, begegnen dabei Gott und stellen sich die elementare Frage: Was ist Kunst?
Mit dem Tatort: „Gott ist auch nur ein Mensch“ tauchen Kriminalhauptkommissar Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Prof. Boerne (Jan Josef Liefers) in die Kunstszene ein. Ein „kunstaffiner Serienkiller“ hält die Münster kurz vor der Eröffnung der internationalen Skulptur-Tage in Atem. Kunstvoll präpariert und als Skulpturen präsentiert tauchen Leichen im öffentlichen Raum der Stadt auf. Schnell geraten einige Künstler ins Visier der Ermittler. Besonders der Aktionskünstlers Zoltan Rajinovic, genannt G.O.D. (Aleksandar Jovanovic), macht sich verdächtig, hat er doch angekündigt der Stadt Münster zur Eröffnung der Skulpturen-Tage medienwirksam ein spektakuläres neues Werk zu schenken.
Als auserwählter Meisterschüler von G.O.D. steckt Boerne zwischen den Stühlen: Auf der einen Seite die verehrt er seinen Meister gottgleich, auf der anderen Seite steht die Vermutung, dass dieser einen Mord zur Kunst erklären möchte. Eins vorweg: Wer bisher nichts mit Boerne und Thiel anfangen konnte, wird auch nach „Gott ist auch nur ein Mensch“ nichts von den Münsteraner Ermittlern überzeugt sein. Die clownesk, komödiantische Art mit der Jan Josef Liefers den Rechtsmediziner Boerne spielt wird auch im aktuellen Fall auf die Spitze getrieben. Ein Kalauer jagt den nächsten. Besonders jedwedes Wortspiel mit dem Wort „Gott/G.O.D.“ hat es den Drehbuchautoren angetan.
Beispiele gefällig? Bitte:
„Gottes Wege sind manchmal ein Rätsel.“
„Gehen Sie mit Gott/G.O.D., aber gehen Sie!“
„Gott ist ein großer Künstler und Sie sind der lebende Beweis dafür“
„Ich suche Gott. Ich meine… ich müsste einmal mit Herrn G.O.D. sprechen.“
„Können Sie mir sagen wo Gott wohnt?“ — „Gott ist an der Bar.“
Und so weiter und so fort...
Gott sei Dank (HaHa…) haben die Autoren (Thorsten Wettcke, Christoph Silber) nicht ausschließlich auf Kalauer gesetzt, sondern den Kunst-Tatort mit liebevollen Zitaten und Anspielungen auf den Kunstzirkus gespickt. Da wäre zum einen die Joseph-Beuys-Gedächtnis-Anglerweste, die Kommissar Thiel während der gesamten Ermittlungen trägt. Thiel ist es auch, der G.O.D., nachdem dieser seine Vernehmung zu einem Aktionskunstwerk mit „verschobenen Bedeutungsebenen“ umfunktioniert hat, als Kasperkönig tituliert. Kasper König wiederum ist der Kurator der tatsächlichen Skulptur.Projekte 2017 in Münster gewesen.
Vor allem aber bringt Christian Jankowski den Krimi auf eine amüsante Ebene. Der Medienkünstler und Kurator spielt den ebenfalls verdächtigten Künstler Jan Christowski, dessen Kunstwerk sich in einem Koffer befindet und niemand sehen darf, außer dem Kulturbanausen Thiel und der zeigt sich begeistert. Der Kriminalfall ist spektakulär, aber nicht besonders spannend: Der kunstaffine Serienmörder rächt sich an Pädophilen, Hasspostern und Steuerhinterziehern. Quasi ein westfälischer Hannibal Lecter, der seine Opfer nicht verspeist, sondern zu Skulpturen verarbeitet. Nachdem G.O.D. mehr und mehr als Täter ausscheidet, wird Roland Wenger (Matthias Bundschuh) als der Mörder schnell offensichtlich. Er tötet um Teil der Kunstwelt zu werden und die Aufmerksamkeit seiner Mutter zu erlangen. Überraschend ist das nicht.
Überraschend ist aber etwas anderes. In der Schlussszene offenbart sich dann, was sich in Christowskis Koffer befindet: der eben gesehene Film. Jankowski stellt dem Zuschauer breit grinsend die Frage: „War das jetzt Kunst? Entscheiden Sie selbst!“
Und das sind die Grundfragen, die der Film stellt: Was ist Kunst? Und: Wer entscheidet über den Wert der Kunst? Der Tatort zeigt ein buntes Ensemble aus exzentrischen Künstlern, noch exzentrischeren Kuratorinnen, verschmähten Möchtegern-Künstlern, Kulturbanausen und Kunstjüngern und alle beantworten die Frage auf ihre eigene Art und Weise. Dem Zuschauer steht frei sich seine eigenen Gedanken zu machen.