Kriegsfilm: "Inglourious Basterds" - Die späte Rache der Juden
Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ dichtet auf dreist-groteske Art die Geschichte des Dritten Reichs um.
Düsseldorf. Musik wie aus einem Spaghetti-Western erklingt. Ein Mann hängt mit seiner Tochter Wäsche vor dem Haus auf, von Ferne nähern sich Fremde. "Geh schon mal ins Haus", sagt der Mann. Doch die Farm liegt nicht im Westen der USA, sondern im ländlichen Frankreich. Und die Bösen kommen nicht angeritten, sondern fahren im offenen SS-Mercedes mit Motorradeskorte.
"Es war einmal im Nazi-besetzten Frankreich...", schickt Quentin Tarantino seinem neuen Film voraus. Märchen, Western, Kriegsepos, Pop und Propaganda verbindet er zu einem ungewöhnlichen Mix. Doch "Inglourious Basterds", eine Art jüdischer Rachevision an den Nazis, bleibt durchaus ernst, gleitet nur selten in die Groteske ab.
Wie hätte man sich gegen die Nazis wehren können? Nach Tarantino zum Beispiel mit einer Truppe amerikanisch-jüdischer Soldaten, die unter dem Kommando von Aldo "dem Apachen" Raine (Brad Pitt) Jagd auf Nazis und deren Skalps macht. Eine irrwitzige Vorstellung, die Tarantino konsequent zu Ende spinnt. Mit einer Truppe von Widerständlern (mit dabei: Til Schweiger und Diane Krüger), ziehen sie nach Paris, um Rache zu üben.
Denn in der von den Nazis besetzten französischen Hauptstadt betreibt die Jüdin Shosanna (Mélanie Laurent), deren Familie von den Nazis ermordet wurde, ein Kino. Ausgerechnet dort soll eine Propagandavorführung im Beisein der gesamten Nazispitze mit Hitler, Goebbels und Bormann stattfinden.
Die jüdischen Widerständler wittern die Chance, ihre tödliche Rache endlich zu vollziehen und wollen das Filmtheater in die Luft jagen. Das Kino als Ort der Vergeltung: Wer sonst als Tarantino könnte sich so eine dreiste Umdichtung der Geschichte ausdenken?
Dass ausgerechnet Shosannas Kino von den Nazis ausgewählt wurde, hat die Jüdin dem sympathischen Kriegshelden Frederik Zoller (Daniel Brühl) zu verdanken, der ihr den Hof macht. Er stellt sie Obersturmbandführer Hans Landa (Christoph Waltz) vor, der vor Jahren ihre Eltern ermorden ließ. Landa betreibt auch mit ihr sein perfides Katz-und Maus-Spiel, wofür der so genannte "Juden-Jäger" gefürchtet wird.
In Cannes, wo der Film seine Uraufführung hatte, wurde Waltz als der neue Superstar gefeiert und prompt mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet. Sein süffisant-diabolisches Lächeln dominiert den Film, wenn er in fließendem Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch seinen Opfern verbale Fallen stellt. Großartig, wie Waltz es schafft, diesen sadistischen Opportunisten nicht ganz unsympathisch zu machen.
Im Film stiehlt der Österreicher allen die Show, auch Brad Pitt, dem eigentlichen Superstar, der sich jedoch als der Anführer der "Basterds" eher dämlich grimassierend durchschlägt. Die von ihm angeführten jüdischen Nazijäger bekommen weniger Platz in der Handlung, als der Titel vermuten lässt, und sie sind auch nur halb so brutal, wie man nach dem Trailer dachte. Vermutlich ist einiges dem Schnitt zum Opfer gefallen. Mit seinen zweieinhalb Stunden ist der Film immer noch deutlich zu lang, vor allem im Mittelteil.
Tarantino unterteilt seine Geschichte in Kapitel, erzählt sie stringent, gewohnt bildgewaltig, aber stellt die Gewalt nicht so aus wie etwa in "Kill Bill". Die teils sehr langen Dialoge rückt er ins Zentrum. Sie sind ernsthaft und fesselnd: Fast möchte man sagen, Tarantino sei erwachsen geworden.
Wertung:3 von 5 Sternen