"Michael Clayton": Niedertracht in Nadelstreifen

George Clooney sucht als „Michael Clayton“nach der Wahrheit. Für sieben Oscars war der Thriller im Rennen.

Düsseldorf. Großkanzleien sind wie antike Labyrinthe, untergebracht in den oberen Etagen mondäner Wolkenkratzer. In unzähligen Einzelbüros arbeiten die Anwälte Wand an Wand, scheinbar alle zusammen, eigentlich aber jeder für sich. Den Namen des Kollegen drei Zimmer weiter muss man dafür nicht parat haben. Nirgends lässt es sich so leicht so anonym inmitten Hunderter von Menschen leben. Michael Clayton (George Clooney) ist einer dieser Männer, der sein Dasein unerkannt unter Einzelkämpfern fristet. 17 Jahre arbeitet er schon für Kenner, Bach & Leeden. Trotzdem kennt fast niemand seinen Namen. Und die, die wissen, wo sein Büro ist, wundern sich manchmal, warum es eines der geräumigen Eckzimmer ist - wo man von diesem Clayton doch eigentlich nie etwas hört, geschweige denn sieht. Seine Bosse nennen ihn "den Ausputzer". Er kennt alle dreckigen Geheimnisse, nutzt seine Kontakte, die er in seinem früheren Leben als Staatsanwalt sammeln konnte und schafft so Bagatellen aus der Welt. Drohen einem Klienten Probleme mit der Steuer oder gab’s einen Blechschaden, ist Clayton dafür zuständig, dass die Ordnungswidrigkeiten keine größeren Konsequenzen nach sich ziehen. Innerhalb weniger Stunden ist er in der Lage, das Leben seiner Mandanten wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Sein eigenes dagegen ist völlig außer Kontrolle. Die Kanzlei hält ihn an der kurzen Leine. Um sich den Lebensstil leisten zu können, der ihm von seinen Kollegen vorgelebt wird, hat er sich in der Gastronomie versucht - und sich dabei hoffnungslos verschuldet. Deswegen ist auch seine Motivation auf dem Nullpunkt. Sein Chef Marty Bach (Sydney Pollack) merkt das. Und sagt ihm die lang versprochene Partnerschaft zu, wenn er den größten Kunden der Kanzlei, einen Chemiekonzern, bei der Stange hält. Der bislang zuständige Anwalt Arthur Edens (Tom Wilkinson) ist wahnsinnig geworden - weil er zufällig hinter die dunklen Machenschaften seines Klienten gekommen ist.

Tilda Swinton spielt mitreißend die Gestrauchelte

In erster Linie dreht sich das Regiedebüt von Tony Gilroy, dem Drehbuchautor der "Bourne"-Trilogie, um menschliche Überforderung, aber auch darum, wie man sie am besten vor seinen Gesprächspartnern verbirgt. Karen Crowder (Tilda Swinton) ist ein Paradefall. Als Syndikus des Chemieriesen muss sie schalten und walten, bis das Lügengerüst über ihr zusammenbricht. Die Schweißflecken auf ihrer Designerbluse kann sie daraufhin nur noch notdürftig mit Kleenex bekämpfen. Swintons mitreißendes Spiel einer Gestrauchelten in Nadelstreifen brachte ihr einen verdienten Oscar als beste Nebendarstellerin.

Ebenso verdient wäre der Preis für Tom Wilkinson gewesen. Bei ihm ist die Fassade bereits eingerissen, seiner Sinne beraubt, zieht er im Gerichtssaal blank und droht, den Schwindel auffliegen zu lassen. Großartig gibt der Brite den geläuterten Schweinehund, der für späte Integrität seinen Verstand opfern muss.