Poetische Action im Kung-Fu-Stil
Regisseur Wong Kar-Wei erzählt vom „Großmeister“.
Düsseldorf. In den vergangenen sechs Jahren war es still geworden um Kultregisseur Wong Kar-Wai, dessen erster amerikanischer Film „My Blueberry Nights“ (2007) hinter den Erwartungen zurückblieb. Mit seinem neuen Werk „Der Großmeister“ besinnt sich der Filmemacher aus Hongkong jedoch wieder auf seine kulturellen Wurzeln.
Der historische Martial-Arts-Film erzählt die Geschichte des Kung-Fu-Meisters Ip Man (Tony Leung), bei dem Bruce Lee in die Lehre ging, bevor er zur internationalen Ikone des Kampfkunstkinos aufstieg. Als Sohn wohlhabender Eltern widmet sich Ip Man im südchinesischen Foshan ausschließlich der Perfektionierung seiner kämpferischen Fähigkeiten.
In den 30er Jahren blüht die Martial-Arts-Kultur in China, bis die Invasion Japans das Land erschüttert. Ip Man verliert Haus, Vermögen und seine beiden Töchter im Krieg und muss in den 50er Jahren als Kung-Fu-Lehrer in Hongkong ganz von vorne anfangen.
Ins Biografische eingeflochten ist eine verhaltene Liebesgeschichte zwischen Ip Man und Gong Er (Zhang Zi-Yi, „Tiger and Dragon“), Meisterin der nordchinesischen Kampfkünste. Eine Ausnahmeerscheinung, denn der Sport war männerdominiert. Doch Wong wollte unbedingt eine weibliche Hauptdarstellerin: „Ich mag Frauen mit Energie.“
In einem Wettkampf messen die beiden ihre Fähigkeiten. Während die Körper durch das Treppenhaus eines Nobelbordells wirbeln, streifen ihre Gesichter in Zeitlupe ganz dicht aneinander vorbei: einer der schönsten Beinahe-Küsse der Filmgeschichte.
Hier findet sich auch das Motiv der vergeblichen, zwischen den Mühlen der Zeit zerrieben Liebe wieder, das schon Wongs „In the Mood for Love“ so herzzerreißend angetrieben hat. Aber der Fokus liegt in „Der Großmeister“ nicht auf der Romanze, sondern auf der Darstellung der Martial-Arts-Kultur einer längst vergangenen Ära.
Dabei verbindet Wong die artistische Kunstfertigkeit seiner Darsteller mit dem eigenen genialen Gespür für Bildkompositionen und dynamische Schnittfolgen. Auf digitale Effekte hat der Regisseur sehr bewusst verzichtet: „Mir war es wichtig, dass der Film ehrlich und respektvoll mit der Kampfkunst umgeht. Es sollte keine digitalen Tricks oder Verstöße gegen die Schwerkraft geben. Jede Bewegung musste sich an den Richtlinien der jeweiligen Kung-Fu-Schule orientieren. Auf digitale Bildbearbeitung haben wir nur zurückgegriffen, wenn es für die Schauspieler zu gefährlich wurde.“
Dennoch hat man selten Kampfszenen gesehen, in denen Körper, Bewegung und filmische Gestaltung solch kontemplative Energie verströmen.