Romanze: Zwei Menschen, ein Gefühl
Gipfeltreffen zweier Oscar-Preisträger: In „Liebe auf den zweiten Blick“ findet Dustin Hoffman Gefallen an Emma Thompson.
Der erste Kontakt am Airport ist kurz: Er ist müde vom Langstreckenflug. Sie will "nur fünf Minuten seiner Zeit", um einen weiteren Standardfragebogen auszufüllen, anhand dessen die Zufriedenheit der Passagiere ermittelt werden soll. Er lehnt ab, vielleicht etwas zu barsch. Sie ist das gewohnt, weswegen sie kurz seufzt und nach einem anderen Opfer Ausschau hält. Das war es schon.
Kein süffisanter Dialog, kein Schäkern, schon gar kein Austausch von Telefonnummern. Dem Zuschauer ist allerdings klar, dass der Amerikaner Harvey (Dustin Hoffman) und die Britin Kate (Emma Thompson) sich wiedersehen werden.
Die Frage ist nur, wann. Und vor allem wie - ohne jeglichen Anhaltspunkt, in der Millionenmetropole London. Eigentlich kann es nur erzwungen wirken, die Wege dieser beiden verlorenen Seelen sich noch einmal kreuzen zu lassen. Es sei denn, das Schicksal greift so geschickt ein, dass man es dem Skript nicht übel nimmt. Und das tut es, höchst elegant, und vor allem später als gedacht.
Unabhängig voneinander lässt Regisseur und Autor Joel Hopkins zunächst seine beiden Hauptfiguren ihre kleinen privaten Dramen erleben, bis er sie ein zweites Mal zusammenführt. Allerdings werden sie sich dabei gar nicht sehen. Nach einem verkorksten Pub-Abend schnappt sich Kate frustriert ein Taxi, aus dem der ähnlich gebeutelte Harvey gerade auf der anderen Seite ausgestiegen ist. Plötzlich merkt man, dass es diese zufälligen Situationen gibt, dass sie nicht unglaubwürdig sind, und dass sie für eine warmherzige, erwachsene Liebesgeschichte die denkbar beste Grundlage bilden.
Wenn sich Harvey und Kate ein drittes Mal treffen, diesmal wieder am Flughafen, in einem Bistro, findet man es völlig selbstverständlich. Er hat ein Horrorwochenende hinter sich, musste sich auf der Hochzeit seiner Tochter einem Dutzend kleiner Erniedrigungen aussetzen, erhielt obendrein telefonisch die Nachricht, dass er seinen Job verloren hat und will vor dem vorgezogenen Rückflug noch ein bis zwei Whiskeys kippen.
Zur Beruhigung. Sie macht Mittagspause und will dabei ein Buch lesen. Leicht alkoholselig hindert Harvey sie daran. Er will sich entschuldigen, dafür, dass er am Vortag so unfreundlich zu ihr war. Allmählich kommen die beiden ins Gespräch.
Dabei merken Harvey und Kate, dass sie auf einer Wellenlänge liegen. Aber es gibt noch mehr, das sie verbindet. Beide haben sich durch falsche Entscheidungen in die soziale Isolation befördert. Er verließ einst seine Familie, um sich als Musiker zu verwirklichen, letztlich aber nur als Werbejingle-Komponist zu enden. Sie war nie in der Lage, sich auf eine Beziehung einzulassen, weil sie zu viel Angst davor hatte, verlassen zu werden.
Es entsteht ein befreites Gespräch über verpasste Chancen und stille Wünsche. Hopkins trifft dabei für seine beiden Stars genau den richtigen Ton, lässt Thompson und Hoffman sinnieren, ohne in psychologischen Kitsch abzudriften, und resümieren, ohne sich in Selbstmitleid zu gefallen.
"Liebe auf den zweiten Blick" ist nicht aufsehenerregend, eigentlich auch nicht sonderlich originell, wird aber vom uneitlen Spiel zweier Edel-Mimen und angenehm geerdeten Dialogen getragen. Es ist eine Geschichte über Menschen, die das Leben am Wegrand hat stehen lassen und die plötzlich merken, dass es sich lohnt, doch noch einmal loszulaufen, auch wenn das Verpasste nicht mehr einzuholen ist.