Tatort-Kritik "Wir kriegen Euch alle": Der neue Tatort aus München in der Kritik
Düsseldorf · Batic und Leitmayr ermitteln in München mit fadenscheinigen Methoden. Das gelingt ausgesprochen gut. Es geht um Kindesmissbrauch und einen Rachefeldzug.
Erst vor sechs Wochen mussten sich Batic und Leitmayr im Münchener Tatort mit den Problemen der modernen Technik herumschlagen, nun bekommen es die beiden wieder mit einem klassischen Fall zu tun - und der hat es in sich. Die kleine Lena wird mit einem Keks betäubt und die Eltern auf brutalste Weise umgebracht. Mit Blut ist „25 II“ an die Wand geschmiert. Das entspricht dem Paragrafen für Mittäterschaft im Strafgesetzbuch. Der Täter ist schnell gefunden: Es ist der Weihnachtsmann. Leider trägt er eine Maske. Aber dafür gibt es in München ja ein erfahrenes Ermittlerteam.
Batic und Leitmyr finden schnell eine Verbindung zu dem Selbstmord der singenden Oma Frieda, die sprechende Puppen an Kinder auf dem Spielplatz verteilt hat. Die Spionagepuppen kommen aus Österreich und sind in Deutschland verboten, "weil man sie leicht hacken kann". In Österreich ist "aber generell gar nichts verboten", weiß Leitmayr. Oma Frieda hat 24 Stück gekauft und an Kinder verteilt. Die Eltern der Kinder haben eins gemeinsam: Sie stehen im Verdacht ihre Kinder zu Missbrauchen. Der Weihnachtsmann kommuniziert über die Puppe mit den Kindern und rächt sich provisorisch für die Kinder bei den Eltern. Indem er sie umbringt.
Polizeilich fragwürdig - filmisch ausgezeichnet
Der Tatort "Wir kriegen Euch alle" aus München ist über weite Strecken ein perfides Rache-Epos, welches den Zuschauer und die Ermittler auf einen hoch emotionalen Vergeltungstrip mitnimmt. Die Ermittlungsmethoden von Batic und Leitmayr werden mit jedem potentiellen Missbrauchsfall abenteuerlicher. Batic schleicht sich inkognito in die Gesprächsgruppe der männlichen Missbrauchs-Überlebenden ein. Die (in Deutschland verbotenen) Puppen werden zur Ermittlung genutzt, ohne Durchsuchungsbefehl wird in Wohnungen eingedrungen und vermeintliche Täter von Leitmayr niedergeschlagen. Beim Thema Kindesmissbrauch hört der Spaß auf.
Bevor der Tatort aber zu einem Rachefeldzug à la Quentin Tarantino mutiert, bei dem sich der Zuschauer an - vermeintlich moralisch legitimierter - Gewalt gegen ein ultimativ böses Feindbild ergötzt, nutzt der Krimi einen Kniff. Die Weihnachtsmannbande, bestehend aus Missbrauchs-Überlebenden, wurde von einem verrückten Serienmörder manipuliert und instrumentalisiert. Das Drehbuch befreit den Zuschauer aus der moralischen Zwickmühle.
"Du findest immer jemanden der für dich tötet"
Der Film ist hochdramatisch und emotional erzählt und schafft es immer wieder sich neu zu (er-)finden. Zu Beginn meint man einen Horror-Film mit Geisterpuppen und Horrorweihnachtsmännern zu sehen, dann wandelt sich der Film zu einem bedrückenden Krimi um Missbrauchsfälle, der den Zuschauer an die Schwelle zur Empathie mit den Tätern treibt, sind sie doch vermeintlich selber die Opfer. Zuletzt dann der Serienmörder-Twist, der den Zuschauer wieder auf die klassische Täter-Opfer Spur bringt.
Der etwas "willkürliche" Dreh zum Schluss ist in erster Linie dem festen Zeitrahmen eines Tatorts geschuldet und ließe sich in einer längeren Fassung sicher schlüssiger erzählen. Am Ende ist der Tatort „Wir kriegen Euch alle“ ein sehr spannender und kurzweiliger Film.