Woody und seine Spielgesellen
Animation: In „Toy Story 3“ kommt das Spielzeug aufs Altenteil. Intelligenter, liebenswerter Spaß.
Wenn die Besucher ausbleiben, machen Kinobetreiber gerne das Wetter verantwortlich. Oder den Fußball. Meistens beides. Dass es im laufenden Kinojahr allerdings noch keinen einzigen Film gab, der es über die in Deutschland gültige Blockbuster-Grenze von drei Millionen Zuschauern geschafft hat, liegt nicht nur an Hochdruckgebieten und WM-Kicks, sondern vor allem am dürftigen Programm.
Wo man hinsieht, verstopfen Fortsetzungen ("Sex and the City 2", "Eclipse"), lieblos kalkulierte Schauwert-Spektakel ("Prince of Persia", "Kampf der Titanen") oder halbgar aufgekochte Kult-Serien ("Karate Kid", demnächst: "Das A-Team") die Kinosäle. Kühle Analysten mit Rechenschiebern wollen Erfolgszahlen in ihren Quartalsberichten, deshalb vermeiden die Studios gewagte Stoffe (einzige Ausnahme 2010: "Inception", sieht unten) und geben lieber vermeintlich sichere Stangenware in Auftrag. Die Reaktion des Publikums: Gleichgültigkeit statt Begeisterung.
Und nun hat sich auch noch Pixar entschieden, auf Nummer Sicher zu gehen. Die Animationsmeister konnten der Versuchung nicht widerstehen, den ersten beiden Teilen ihrer "Toy Story" (1995/1999) einen dritten folgen zu lassen. Ausgerechnet Pixar, jene Produktionsfirma, die mit "Findet Nemo", "Ratatouille" oder "Oben" ein innovatives Meisterwerk nach dem anderen konzipiert hat. Diesmal also nur ein nochmaliger Aufguss eines scheinbar zu Ende erzählten Stoffes? Das kann kein großer Wurf werden, so die Befürchtung.
Doch auch diesmal schaffen es die Pixelpioniere aus San Francisco, einen perfekten Film abzuliefern: witzig, ergreifend, intelligent, ironisch, anspielungsreich und detailverliebt. Es mag kein Geniestreich sein, weil die Geschichte auf zu vielen vorhandenen Bausteinen fußt. Dennoch dürfte "Toy Story 3" in den engen Grenzen einer Fortsetzung das Bestmögliche darstellen, was serielles Kino hervorbringen kann.
Für die Helden, allen voran den smarten Stoff-Cowboy Woody und den begriffsstutzigen Astronauten Buzz Lightyear, ist die sorglose Zeit bei Andy vorbei. Der kleine Junge von einst ist mittlerweile 17, demnächst geht’s aufs College. Vorher muss noch das Jugendzimmer entrümpelt werden. Seine Spielsachen will er in einer Mülltüte auf dem Speicher deponieren. Allerdings interpretiert seine Mutter das Behältnis, das er zur Einlagerung wählt, fehl und verfrachtet Plüsch und Plastik als Spende in den örtlichen Kindergarten.
Dort gefällt es den Neuankömmlingen nicht mal schlecht. Alles scheint sauber, lichtdurchflutet und kollegial - kurz: das perfekte Altenteil für verdiente Kinderzimmer-Veteranen. Doch hinter der warmherzigen Begrüßung von Duftbär Lotso steckt nichts als eiskaltes Kalkül: Woody & Co. werden in den Raum für die Dreijährigen verbannt. Die sind, um es vorsichtig auszudrücken, nicht dafür bekannt, mit Spielzeug pfleglich umzugehen.
Regisseur Lee Unkrich legt den Film ab diesem Zeitpunkt als augenzwinkernden Ausbruchsthriller an: Lotso regiert die Tagesstätte wie ein Mafia-Pate. Um ihm beizukommen, müssen die Fluchtwilligen an seinem Handlanger, dem einäugigen Baby, vorbei. Hier beweisen die Autoren wieder ihre große Stärke, Spannung und Alltagsweisheit zu einer moralischen, aber nie moralisierenden Geschichte zu verweben. "Toy Story 3" ist für Erwachsene eine wunderbare Reflexion über das Älterwerden und seine unausweichlichen Folgen. Für Kinder ist es schlicht ein grandioser Spaß.
WZ-Wertung: Fünf von fünf Punkten