„Gilmore Girls“ in Trump-Zeiten
Netflix zeigt vier neue Folgen der Serie, in der auch die US-Politik immer wieder Thema war.
Düsseldorf. Es kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Lorelai und Rory Gilmore nicht für Donald Trump gestimmt haben. In ihrem Mutter-Tochter-Haushalt wehte stets der Geist des liberalen Amerika. Zwar kommen die beiden „Gilmore Girls“ — die am Freitag ihr heiß ersehntes Bildschirm-Comeback feiern — aus einer Kleinstadt. Doch Stars Hollow, so der Name der schmucken, wenngleich fiktiven Gemeinde, mag die Heimat vieler schräger Vögel sein - ein Hort für politische Hinterwäldler ist sie nicht.
Sie liegt im Bundesstaat Connecticut — den Hillary Clinton gewonnen hat. Schon als hochbegabte Jugendliche hatte Rory (Alexis Bledel) ein Faible für die ehrgeizige Politikerin. Eine andere berühmte Frau aus dem Demokraten-Lager begleitet sie sogar bis in ihre Träume hinein: In ihrem Mädchenzimmer unterhält sie sich im Schlaf mit der früheren Außenministerin Madeleine Albright.
Es spricht für den hohen Stellenwert der Serie im Ursprungsland, dass Albright sich selbst gespielt hat. Ebenso wie der inzwischen verstorbene Norman Mailer. Die Schriftsteller-Ikone der US-Linken war Gast im Hotel von Lorelai (Lauren Graham). Auch CNN-Star Christiane Amanpour, Entertainer-Legende Paul Anka und Sängerin Carole King haben Gastauftritte. Mehr Prominenz war selten in einer TV-Reihe.
Anspielungen auf Literatur, Musik und Film sind typisch für diese Serie, in dieser Hinsicht hat sie einiges mit den „Simpsons“ gemein. Ob „Moby Dick“, das erste „Nirvana“-Album oder „Casablanca“ — all das gehört zum kulturellen Kosmos. Die Bandbreite der genannten und/oder zitierten Größen der Weltgeschichte reicht von Velázquez bis zu David Bowie. Auch George Washington und Martin Luther King fehlen nicht.
Die „Gilmore Girls“ sind „typisch amerikanisch“, allerdings mit einem gehörigen Schuss „good old Europe“. Sicherlich ist diese Mischung eine der Erklärungen für den Erfolg auf beiden Kontinenten. Will man daraus eine Botschaft lesen, so könnte diese lauten: Hey, wir haben dies- und jenseits des Atlantiks viel mehr gemeinsam, als uns trennt!
Der Streaming-Dienst Netflix zeigt nun, nachdem er bereits die alten Staffeln online anbietet, vier neue Folgen in Spielfilmlänge. Das Gesamtwerk haben die Macher mit „A Year in the Life“ überschrieben: vier Folgen, vier Jahreszeiten.
Für die Anhänger dieser eigenwilligen Serie mit viel Ironie (aber ohne nervige Lacher aus dem Off) findet damit Weihnachten einen Monat früher statt. Schon im Vorfeld wurde vor allem in den sozialen Netzwerken ausgiebig gefeiert. Umso spannender ist die Frage, wie die Fortsetzungen von der weltweiten Jury auf der Couch aufgenommen werden: Daumen hoch oder runter? „Shit“- oder „Candy-storm“?
Die Erwartungen sind auf jeden Fall hoch. Verständlich, musste die Anhängerschaft doch lange darben: Die Produktion der bisherigen sieben Staffeln, die in Deutschland auf Vox liefen, endete 2007. Von vielen Darstellern war anschließend wenig zu sehen. Eine große Ausnahme ist Melissa McCarthy, die die Köchin (und Lorelais beste Freundin) Sookie St. James verkörperte. Die Schauspielerin (u.a. „Brautalarm“, „Ghostbusters“ 2016) gilt heute als eine der bestbezahlten Frauen Hollywoods. Ihre Teilnahme beim „Gilmore Girls“-Revival schien lange unsicher. Doch inzwischen können die Fans aufatmen.
Dagegen ist noch nicht bekannt, ob Donald Trumps Präsidentschaftskandidatur in den vier neuen Folgen ein Thema sein wird. Passen würde es jedenfalls zu den politisch interessierten Girls.
Wie viel Zeit zwischen heute und der letzten Staffel vergangen ist, wird beim Gucken der Schlussfolge aus dem Jahr 2007 deutlich: Yale-Absolventin Rory verabschiedete sich damals von ihrer Mutter und Stars Hollow, um einen charismatischen Senator mit Ambitionen auf das Weiße Haus durchs Land zu begleiten. Sein Name: Barack Obama.