Heinz Mack : „Kapital kennt keine Moral“

Zero-Künstler prangert Kapitalismus und Seilschaften an, die den Kunstmarkt zu beherrschen drohen.

Düsseldorf. Der Zero-Künstler Heinz Mack gehört mit 81 Jahren immer noch zur Kunstavantgarde in Deutschland. Mit der futuristischen Kunst der Düsseldorfer Zero-Gruppe, zu der auch Otto Piene und Günther Uecker zählten, wurde er bekannt. Für den Kunstmarkt findet Mack, immerhin seit 60 Jahren im Geschäft, klare Worte: eine „mafiaähnliche Rücksichtslosigkeit“ beherrsche den Markt.

Herr Mack, wer macht einen Künstler berühmt?

Heinz Mack: Das ist ein sehr kontroverses Thema. Der allgegenwärtige Kapitalismus, der sich nicht nur in den Banken und auf dem internationalen Markt präsentiert, ist aus meiner Sicht ein gefährliches Spiel, an dem sich auch der Kunstmarkt beteiligt.

Sie meinen, Kunst ist heute gefährlich?

Mack: Da können Leute in den Himmel katapultiert werden, aber auch tief stürzen. Verkaufen lässt sich nur das, was gefragt wird. Das führt zu der aberwitzigen Logik, dass nur das, was teuer verkauft werden kann, mit Qualität identifiziert wird. Das klingt unglaublich materialistisch und alles andere als intelligent, es ist aber der Fall.

Und wer hat die Macht über Aufstieg, Fall und Preise?

Mack: Künstler, Galeristen, Auktionen, Messen, Museen, Berater und Kuratoren, Feuilletons, Sammler, Versicherungsagenten, Kunstverlage, Kunstzeitschriften, das Internet. Am Anfang kommt der Künstler und zum Schluss das Publikum. Das ist eine komplexe Angelegenheit, bei der viele Menschen beteiligt sind. Die Spielräume des Marktes werden spekulativ und höchst opportunistisch genutzt. Da kommen Gewinnkalkulationen und -optionen zustande, die mit mafiaähnlicher Rücksichtslosigkeit praktiziert werden.

Der Kunstmarkt wird von einer Mafia beherrscht?

Mack: Teils, teils. . . es gibt eine Seilschaft, eine Handvoll Kunsthändler mit wenigen Künstlern, für die Sie höchstens zwei Hände brauchen, um sie zu zählen, die den gesamten Kunstmarkt seit mehr als zehn Jahren souverän beherrschen. Man förderte hemmungslos nur ganz wenige Künstler, und die erzielen heute die Millionen-Umsätze auf den Auktionen. Andere Künstler werden regelrecht vergessen.

Wilder Kapitalismus?

Mack: Damit will ich sagen, dass das Kapital heute keine Moral kennt und der Kunstmarkt ebenso wenig. Zu dieser Situation gehört eine gewisse Profilneurose, die auch die Künstler heimsucht. Und die gesellt sich zu einer Profitneurose. Wer hat heute noch Profil, wenn er nicht auch Profite nachweisen kann? Viele Künstler werden nur noch mit Preisen vorgestellt.

Was macht einen Künstler denn berühmt?

Mack: Das Markenzeichen. Man muss als Künstler eine Visitenkarte haben. Die muss nicht unbedingt Ausdruck großer Kreativität und großer Intelligenz sein. Ein verwackeltes Foto realistisch abzumalen oder Bilder auf den Kopf zu hängen gilt als vollkommen ausreichend. Man erkennt schließlich sofort, wer das ist.

Reicht das Markenzeichen aus, um als Künstler zu Geld zu kommen?

Mack: Nein! Ein Künstler muss arbeiten, arbeiten, arbeiten. Auch auf die Gefahr hin, dass er damit scheitert. Ich habe 60 Jahre lang gearbeitet, täglich, auch sonntags.

Was ist eigentlich gute Kunst?

Mack: Das ist genauso schwer zu beantworten wie die Frage: Gibt es den lieben Gott oder nicht? Wenn ich alles betrachte, was heute die Kunstszene überfüllt, dann haben die alten, vertrauten Paradigmen keine Relevanz mehr. Man muss offenbar nicht sehr viel machen, um Künstler zu sein. Heute fühle ich mich überfordert, ein adäquates und weitreichendes Urteil zu haben, was gut sein könnte und was nicht.