„Pressure to Perform“ Künstler nach Liegestützen auf Altar verurteilt
Ein Altar ist keine Turnmatte: Wegen eines umstrittenen Videoprojekts in einer Kirche soll ein Saarländer 700 Euro Strafe bezahlen. Doch der beruft sich auf die künstlerische Freiheit und kündigt Berufung an.
Saarbrücken. Das Video dauert nur eineinhalb Minuten: Alexander Karle steigt darin in der katholischen Kirche St. Johann in Saarbrücken über eine rote Absperrkordel, klettert auf den Altar, macht 27 Liegestütze, legt sich kurz erschöpft nieder, steigt wieder herunter, wischt mit einer Hand über die Steinplatte und geht. Für die Aktion verurteilte ein Amtsgericht den Künstler am Dienstag zu einer Geldstrafe von 700 Euro. „An diesem Tag wurde eine Grenze überschritten“, sagte Richterin Judith Simon. Karle habe sich wegen Hausfriedensbruchs und Störung der Religionsausübung strafbar gemacht.
Der Künstler selbst hatte zuvor gegen einen Strafbefehl in Höhe von 1500 Euro Einspruch eingelegt. Seine Aktion war bekannt geworden und hatte die katholische Kirche auf den Plan gerufen, nachdem er einen Videofilm davon mit dem Titel „Pressure to perform“ („Leistungsdruck“) in einem Schaufenster und bei Ausstellungen gezeigt hatte.
In ihrem Urteil reduzierte die Richterin angesichts der Einkommensverhältnisse des 38-Jährigen die Höhe der Tagessätze von 25 auf 10 Euro, ging jedoch mit den verhängten 70 Tagessätzen noch über die von der Staatsanwaltschaft geforderten 60 hinaus. „Dem Angeklagten fehlt im Umgang mit anderen das Gespür für das, was angemessen ist“, sagte Simon.
Der Vorgang sei nicht durch die Kunst- oder Meinungsfreiheit abgedeckt. „Man muss klar und deutlich konstatieren: Wenn ein Altar einer Turnmatte gleichgesetzt wird, wird objektiv eine Missachtung zum Ausdruck gebracht. Und selbst wenn man jetzt davon ausgeht, dass es sich hier tatsächlich um Kunst handelt, liegt es auch auf der Hand, dass Sie Ihre Kunstfreiheit nicht überall, jederzeit und an jedem Ort verwirklichen können“, sagte sie zu dem Künstler. Auch Staatsanwältin Carola Hilgers-Hecker sagte: „Die Kunst- und Meinungsfreiheit hat nicht uneingeschränkt Geltung. Sie findet auch ihre Grenzen, zum Beispiel im Strafgesetz und im Grundrecht anderer.“
Karles Verteidiger Robin Sircar forderte Freispruch. Er berief sich nicht nur auf die Kunstfreiheit, sondern auch darauf, dass Karle selbst zu keinem Zeitpunkt Menschen oder die Kirche beleidigen oder verhöhnen wollte. „Es mag Unfug gewesen sein, aber ein beschimpfender Charakter war es nicht.“
Karle sagte, ein Altar habe eine gewisse Symbolkraft, „der ich ein anderes Symbol zufügen wollte“. Darüber, wie dies bei den Gläubigen ankomme, habe er sich keine Gedanken gemacht. Er sei nicht davon ausgegangen, Gefühle zu verletzen. Zwar könne er sagen, dass es ihm leid tue, sollte dies geschehen sein - dass man jedoch streiten und in Dialog treten könne, sei wichtiger Bestandteil der Demokratie. Karle kündigte an, in Berufung zu gehen.
Auch innerhalb der Gemeinde werden die Liegestütze auf dem Altar weiter diskutiert. Pfarrer Christian Heinz kündigte an, das Thema mit Jugendlichen besprechen zu wollen - und dazu den Künstler einzuladen und eventuell das Video zu zeigen. (dpa)