Kultur in Düsseldorf Wo sich Fuchs und Hase mit Mode auskennen

Elfriede Jelinek hat für das Düsseldorfer Schauspielhaus „Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!)“ geschrieben. Regisseur Gloger schneidert daraus eine gut sitzende Uraufführung.

Szenen aus der Inszenierung.

Foto: Schauspielhaus Düsseldorf

Düsseldorf. Jelinek-Texte sind eine Zumutung. In nicht enden wollenden Tiraden verknüpft die Literaturpreisträgerin ihre Gedanken — mal banal und bösartig, dann wieder selbstironisch, scharfsinnig und sinnlich. Für das Düsseldorfer Schauspielhaus hat sie ein Thema gewählt, für das sie selbst eine Schwäche hat: Mode. Auf knapp hundert Seiten wühlt sie sich geistreich durch Kleider und Gedanken und dreht sich vor allem um sich selbst. „Schnauze Elfi, mach mal was Halblanges, nicht immer sowas Langes“, fordert sie sich auf. Aber halblang kann sie nicht. Sie macht selbst dann weiter, wenn sie beim Schreiben am Ende ihres Seins angekommen ist — Vergänglichkeit verbirgt und offenbart sich kunstvoll in ihrem Stück „Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!)“.

Regisseur Jan Philipp Gloger gelingt es, aus der intellektuellen Zumutung eine gut sitzende Uraufführung zu schneidern. Textwürste nennt Jelinek ihre Zeilen. Gloger teilt sie in anschauliche Portionen, schafft originelle Szenen, bespielt gekonnt drei sich hintereinander aufbauende Ebenen: Eine Straße an der Rampe, mal Catwalk und mal letztes Ende des eigenen Weges. Dahinter die Natur — mal Böschung und mal Wildnis mit philosophisch bewanderten Fuchs, Hase und Bär. Und erhöht im Hintergrund steht ein stylisch-weißer Bungalow. Ein Schaufenster, ein Lichtkasten, in dem sich sechs Frauen, die sich allenfalls im Alter unterscheiden, ihren Sehnsüchten hingeben und in den Objekten ihrer Begierde vergeblich die richtige Form suchen.

Die Schauspielerinnen wechseln von vorne nach hinten und zurück. Elegante Gaze-Wände lassen gerade Gehörtes verschwinden und betonen Neues. Verzweifelt versucht diese eine Frau, im neuen Rock dem von der Werbung vorgeführten Ebenbild zu entsprechen. Aber es bleibt nur eine Annäherung. Sechsmal steht das Rock-Blusen-Modell da. Wo bleibt die Einmaligkeit der Erscheinung? Claudia Hübbecker bringt diese Allerweltsdame nah ran an die Zuschauer — und Zuschauerinnen. Wunderbar grotesk und komisch gelingt ihr diese nur scheinbar nichtige Kauf-Entscheidung. An anderer Stelle verdreht sich Karin Pfammatter in einem Pulli voller Löcher, an deren Entstehen keine Motten beteiligt waren, wie sie betont. Sie verpuppt sich darin zu einem seltsamen Wesen, dem alles Menschliche verloren gegangen ist.

Baumwollpflanzer, die für Unkrautgift mit dem Leben bezahlen, kommen zur Sprache. Brennende Fabriken, gestorbene Näherinnen und T-Shirts, die überleben, auch wenn sie durchschnittlich nur 1,4 Mal getragen werden. Darüber zerbrechen sich nicht nur die fabelhaften Tiere ihren Kopf. Im Gestrüpp treten in naturverbundener Jägerkluft der eine und mit gepuderter Perücke der andere auf: Die Denker Heidegger und Kant spielen sich mit Tennisschlägern imaginierte Bälle zu, ein elektronisches Beep zählt die Punkte.

„Wie bin ich wieder hierhin geraten?“, fragt eine der sechs Elfis. Es geht viel um sie an diesem Abend. Um Elfriede Jelinek und ihre eigene menschliche Unzulänglichkeit. In sechs jeweils zeitgemäßen Outfits — von der jungen Literatin bis zur älteren Nobelpreisträgerin — treten die Darstellerinnen mit rothaarigen Perücken und sicherem Blick auf den Catwalk. Bis eine kommt, die Haare nicht mehr ganz so rot und mit Falten im Gesicht, vor der die Frauen schaudernd fliehen. Ein starker weiblicher Auftritt und ein gelungener Theaterabend.

Regie: 5 Punkte

Schauspieler: 4 Punkte

Bühne: 5 Punkte