Adolf Luther: Renaissance des Lichtkünstlers
Der Krefelder Adolf Luther arbeitete mit Linsen und Spiegeln. Jetzt werden seine Werke so teuer verkauft wie noch nie.
Krefeld. Luthers Wohnzimmer ist ein Raum aus Spiegeln, Glas und Licht. Sein Nachlass hängt an den Wänden und steht auf dem Boden, der Besucher verfängt sich in Luthers Kunst wie in einem Netz. Das eigene Abbild wird verzerrt und gebrochen, der Raum vervielfacht sich. Hier ist alles durchsichtig, und nichts ist sicher.
Der Krefelder Adolf Luther, Lichtkünstler, Autodidakt und Außenseiter der Kunstszene, erlebt 21 Jahre nach seinem Tod und kurz vor seinem 100. Geburtstag eine internationale Renaissance.
Erst am Freitag hat eine Münchner Galerie eine große Arbeit Luthers für einen sechsstelligen Betrag an einen Sammler in die USA verkauft. Drei Tage zuvor ging eine Hohlspiegel-Arbeit in Amsterdam für 90 000 Euro über den Auktionstisch. Sammler — vor allem jene, die Arbeiten aus den 1960er Jahren und Werke der Düsseldorfer Zero-Gruppe schätzen — entdecken Luther wieder. „Ich bekomme Anfragen aus ganz Europa“, sagt Magdalena Broska, Kuratorin der in Krefeld ansässigen Adolf-Luther-Stiftung. „Die Wertschätzung auf dem Kunstmarkt ist massiv gestiegen.“
Es ist die unerwartete Wiedergeburt eines Mannes, der in den 70er Jahren zu den populärsten Künstlern der Republik gehörte. Seine Arbeiten installierte er im Olympiastadion in München und im Bundeskanzleramt in Bonn, in deutschen Botschaften auf der ganzen Welt und im Goethe-Institut in Rom.
In der Düsseldorfer Tonhalle gestaltete er ein Deckenobjekt, und auch in seiner Heimatstadt hat Luther auf der Verkehrsachse Ostwall die für ihn typischen Lichtlinsen hinterlassen.
Beachtet werden die gläsernen Kunstwerke heute kaum, der große Sohn der Stadt ist in der öffentlichen Wahrnehmung fast vergessen. Seine große Zeit hörte Anfang der 80er Jahre schlagartig auf: Er wurde weggespült von den Neuen Wilden mit ihrer expressiven Malerei, der Luther nichts abgewinnen konnte.
Ihm war alles Emotionale und Subjektive in der Kunst suspekt. Er orientierte sich an technischen Prozessen, objektiver Recherche und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Er suchte Kontakt zu Architekten, Forschern und Designern, blickte „über den Tellerrand der Kunst“, wie Magdalena Broska sagt.
Luthers Materialien waren Metalle, Glas und Spiegel, Linsen, Rauch und später Laserstrahlen. Seine radikale Abkehr vom Bild bedeutete eine Hinwendung zu einem viel ursprünglicheren Medium — dem Licht. Bis heute faszinieren seine Arbeiten, weil sie nie greifbar werden. Sie verändern sich mit dem Blickwinkel des Betrachters und beziehen ihn durch Spiegelungen mit ein, sie erzeugen Lichtphänomene als scheinbar zufälliges Spiel, doch letztlich als Ergebnis physikalischer Logik.
Luther war ein ungewöhnlicher Künstler, und das in fast jeder Hinsicht. Er war von Hause aus Jurist und beschloss erst nach einer Spanienreise Ende der 50er Jahre, seinen Beruf als Richter an den Nagel zu hängen. Durch seine Großaufträge verdiente er in den 70ern viel Geld und kaufte damit Werke von Christo, Mack, Rivera, Yves Klein, Lucio Fontana und Joseph Beuys.
Luthers eigene Werke sind heute im Privatbesitz oder gehören der Stiftung. Eine repräsentative Auswahl ist — wie Luthers Kunstsammlung — als Leihgabe dem Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum überlassen. Nach dessen Sanierung und Wiedereröffnung im Jahr 2013 hofft Broska dort auf einen eigenen Luther-Raum: „Adolf Luther verkörpert eine individuelle Position, die außerhalb Krefelds bislang mehr gilt als in seiner Heimatstadt. Das Potenzial müssen wir besser ausnutzen.“