Eröffnung: Berliner Museumsinsel - Nofretetes neue alte Heimat
Mit dem Neuen Museum sind ab dem Wochenende erstmals alle fünf Häuser der Berliner Museumsinsel zugänglich.
Berlin. Nofretete blickt in die Ferne. Am Ende des Korridors, nach 85 Metern, erhebt sich Sonnengott Helios. Die Schöne aus Amarna und der Koloss aus Alexandria stehen sich im Neuen Museum gegenüber wie zwei sehnsüchtige Königskinder.
"Die Achse der Götter ist Zufall", sagt Dietrich Wildung, der als langjähriger Direktor des Ägyptischen Museums Berlin die neue Ausstellung konzipiert hat. Am Samstag öffnen sich nach 70 Jahren auf der Museumsinsel die Präsentationen zu Ägypten und zur Vor- und Frühgeschichte der Menschheit.
Wenn damit auch der letzte Bau der schwer zerstörten Berliner Museumsinsel wieder geöffnet ist, kommt auch der größte Kulturmuffel um einen Besuch nicht mehr herum. Schon wegen der Ägypterin Nofretete.
Sie ist die letzte, die berühmteste Kriegsheimkehrerin: Zwei Tage vor dem Angriff auf Polen im September 1939 war das Neue Museum geschlossen worden.
Die Büste der ägyptischen Herrscherin wurde zum Schutz vor Brand- und Sprengbomben ausgelagert. Nach einer Odyssee durch Thüringen, Hessen und diverse Berliner Museen ist die Schöne vor zwei Wochen bei Nacht und Nebel durch die Hintertür wieder ins Neue Museum eingezogen.
Das Museum ist ein Meilenstein im Riesenprojekt Museumsinsel. Nach fast 20 Jahren der Planung, des Streits und der Finanzsorgen bekommt Berlin für 200 Millionen Euro ein Gesamtkunstwerk, wie es wohl in Europa seinesgleichen sucht.
Für die Sarkophage, Mumien, Tempeltore, Schalen und Schmückstücke hat Architekt David Chipperfield ein Haus geschaffen, das lange als unbeabsichtigtes Kriegsmahnmal vor sich hinmoderte.
In Tüftlerarbeit legten der Brite und sein Team die von der Geschichte vergessene Ruine Zentimeter für Zentimeter frei. Den Meisterbau des Schinkel-Schülers Friedrich-August Stüler kleisterten sie nicht zu. Sie beließen die Narben und Risse, die Einschüsse und den abgebröckelten Putz als Spuren der Vergangenheit.
Entstanden ist "ein Monument der Archäologie des 19. Jahrhunderts als Hülle für die Archäologie des Altertums", schwärmt der frühere Museumschef Wildung.
"Wir haben versucht, auf das Haus zu reagieren", sagt Wildung, der kürzlich pensioniert wurde, zur Ausstellungskonzeption. Er und seine Helfer konnten sich aus einer der reichsten Sammlungen außerhalb Ägyptens bedienen. Rund 35000 Objekte und etwa 60000 Papyrusrollen lagern in den Depots.
Das Museum soll Lust auf unsere Ur-Urahnen wecken. Im Eintrittspreis sind Audioguides inbegriffen, auf Multimedia verzichtet die Schau fast komplett.
"Unsere große Stärke sind die Originale - die wollen wir sprechen lassen." Am Samstag und Sonntag kann Nofretete kostenlos besucht werden. Die Eröffnungstage sind im Neuen Museum eintrittsfrei, es wird aber mit viel Andrang gerechnet.
Die Stationen heißen etwa "Jenseits und Ewigkeit" oder "Gott und Götter". Hier treten die Alten als Zeitgenossen auf, etwa auf der lichtdurchfluteten Bühne des Ägyptischen Hofs, wo Nofretetes Gatte Echnaton und seine Familie in Augenhöhe an die Besucher herantreten.
Im Niobidensaal ist unter den Deckenfresken eine Bibliothek der Antike entstanden. Auf elektrisch betriebenen Lesetischen wird die Geschichte auf Papyrus, Pergament und Koran-Handschriften ausgebreitet. Im obersten Geschoss wird die Besiedlung Europas dokumentiert, etwa mit dem Schädel des Neandertalers.
Dennoch bleiben schmerzliche Lücken, zum Beispiel der Schatz des Priamos, den Heinrich Schliemann 1873 aus Troja mitbrachte. 1945 wurde er von der Roten Armee verschleppt und lagert heute im Puschkin-Museum in Moskau. So müssen sich die Besucher mit Kopien des Goldschmucks mit Halsketten und Diadem begnügen.
Allerdings kam auch Nofretete, Prachtstück der Sammlung, unter nie ganz geklärten Umständen nach Deutschland. Der Chef der ägyptischen Antiquitätenverwaltung, Sahi Hawass, sagte in dieser Woche, seine Behörde prüfe, wie Nofretete 1913 nach Deutschland kam. "Wenn sie Ägypten illegal verlassen hat, wovon ich überzeugt bin, werde ich sie von Deutschland offiziell zurückfordern."