Gregor Schneider baut Bochumer Museum um

Bochum (dpa) - Der Haupteingang bleibt geschlossen: Wer zur Zeit in das Kunstmuseum Bochum will, muss ungewöhnliche Wege gehen. Muss sich hineinbegeben in Gregor Schneiders Raumskulptur, die am unscheinbaren Seiteneingang mit dem Eintritt in ein dämmriges Abflussrohr beginnt.

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Die Arbeit „Kunstmuseum“ ist Schneiders Beitrag zur Ruhrtriennale, die Vorgeschichte ein Lehrstück darüber, wie Kunst Bedeutung erlangen kann, bevor sie überhaupt fertig ist.

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Ursprünglich hatte Schneider statt des Bochumer Hauses das Duisburger Lehmbruck Museum „umgraben“ wollen. Kein Novum, schließlich hat Schneider bereits andere renommierte Kunsthäuser mit seinen Einbauten verwandelt und Besucher durch Röhren und neue Räume geschickt.

Dennoch entschied sich Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link wenige Wochen vor der Eröffnung gegen die für das Lehmbruck Museum geplante Arbeit „totlast“. Den Röhren seien „Verwirrungs- und Paniksituationen immanent“. Die Stadt sei nach der Loveparade-Katastrophe, bei der 21 Menschen im Gedränge einer Massenpanik am 24. Juli 2010 starben, noch nicht reif dafür. Die Absage löste ein bundesweites Echo aus. Ruhrtriennale-Intendant Heiner Goebbels kritisierte sie als „Angriff auf die Freiheit der Kunst“.

Die Präsentation von Schneiders alternativem Beitrag im Kunstmuseum Bochum ist folglich auch der Triumph, diesen Angriff abgewehrt zu haben. „Vor Kunst kann und darf man nicht schützen, ich sehe meine Aufgabe darin, die Kunst zu schützen“, begründet der Bochumer Museumsdirektor Hans Günter Golinski die Entscheidung, kurzfristig Platz für Schneider zu schaffen.

Dass ab Freitag nun in neuen Räumen eine neue Skulptur erlebt werden kann, sei den vielen helfenden Händen aus seinem Team, der Stadt Bochum und der Ruhrtriennale zu verdanken, sagt Scheider. „Es zeigt natürlich auch, was geht, wenn man es wirklich will.“ Möglicherweise habe das Verbot alle Beteiligten sogar motiviert.

Entstanden ist in kürzester Zeit eine Arbeit, die gleichsam beklemmend wie erhellend ist. Allein werden die Besucher in das Abflussrohr geschickt. Wer von großer Statur ist, kann sich nur mit gesenktem Kopf voranbewegen. Ein wenig stickig ist es in dem Parcours, der auch mal in die Sackgasse führt. Mal geben die funzeligen Lampen ein Dämmerlicht ab, mal ist es so finster, dass die Füße ins Ungewisse vorwärts tappen. Dabei stellt Schneider die Wahrnehmung auf den Kopf: Was sich anfühlt wie ein Weg hinab in die Kanalisation des Museums, ist tatsächlich ein Weg hinauf. Das Kunsterleben wird dabei körperlich, wenn sich allein in der Dunkelheit eine unbestimmte Angst einstellt.

Bevor der Besucher hinausgeworfen wird in die museale Kunstwelt, passiert er von Schneider eingerichtete Museums-Hinterzimmer und Korridore. Sie sind hell erleuchtet, aber nicht minder alptraumhaft. Man betritt ein Archiv mit abgegriffenen Ordnern. Es ist ein unwirklicher Arbeitsplatz ohne Tageslicht, aber mit Blick auf einen Überwachungsmonitor, der gewahr werden lässt, dass man beobachtet wurde.

„All das ist Museum und hinterfragt, was wir hier eigentlich tun, wenn wir Kunst sammeln und archivieren“, erläutert Golinski seine Sicht auf das Kunstwerk. Und auch das Spiel mit der Angst gehöre dazu und hätte auch in Duisburg seine Funktion haben können: „Auch wenn die Loveparade nicht das Thema der geplanten Arbeit gewesen ist, was ist schlimm daran, wenn Kunst an Traumata rührt und so vielleicht hilft sie zu verarbeiten“, sagt Golinski.

Heiner Goebbels jedenfalls lädt alle ein, sich mit dem Kunstwerk auseinanderzusetzen, „insbesondere auch die Duisburger Bürger“, wie es in einer Mitteilung heißt. Die Arbeit ist bis zum 12. Oktober zu besichtigen.