Max Beckmanns in New York

New York (dpa) - Der Mann stürzt in die Tiefe, nackt, kopfüber. Hinter ihm steigt Rauch aus einem brennenden Hochhaus auf, engelhafte Gestalten schweben am Himmel.

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In seinem beklemmenden Gemälde „Falling Man“ von 1950 hat Max Beckmann unwissend eine Szene vorausgesagt, die sich so ähnlich ein halbes Jahrhundert später in New York abspielen sollte - Menschen nämlich, die bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 aus den Wolkenkratzern in den sicheren Tod sprangen.

Auch sonst steckt die seit Mittwoch im New Yorker Metropolitan Museum of Art geöffnete Ausstellung voller Referenzen an Beckmanns kurze Schaffensphase in der Millionenmetropole. Den 1884 in Leipzig geborenen Expressionisten, dessen Kunst im Nationalsozialismus als „entartet“ gebrandmarkt worden war, hatte es nach seinen zehn Jahren im Exil in Amsterdam erst nach St. Louis in Missouri verschlagen. Eine Professur an der Brooklyn Museum Art School führte ihn 1949 schließlich nach New York, wo er 16 Monate bis zu seinem Tod lebte.

Es ist eine umfassende, 40 Gemälde zählende Schau auf das Werk Beckmanns, für die Museen in Frankfurt, München, Darmstadt, Würth und deutsche Privatsammler ihre Gemälde zur Verfügung gestellt haben. Sie veranschaulicht, welche Faszination New York mit all seinen Licht- und Schattenseiten auf den Maler ausgeübt haben muss. „Er hat sich in New York verliebt. Für ihn war es Berlin, hundertmal verstärkt“, sagt Kuratorin Sabine Rewald. Seiner als Quappi bekannten Frau schrieb Beckmann aufbauschend, dass man auf der Straße sieben bis zehn verschiedene Sprachen hören könne.

Straßenszenen New Yorks malte er trotzdem nie, mit Ausnahme des nicht fertiggestellten „Optician's Window“, zu dem ihn das Schaufenster eines Optikers in der Lower East Side inspiriert hatte. „Ich glaube, es gab zu viel Auswahl für ihn“, sagt Rewald. In „The Town (City Night)“ greift er dafür die Verlockungen und Gefahren der Großstadt auf: Eine nackte, als unschuldig dargestellte Frau wird umgeben von zwielichtigen Nachtgestalten, die für Prostitution, Armut, Gier, Gewalt sowie das Vulgäre der Metropole stehen. In der Ecke liegt eine Flasche Champagner.

Obwohl Beckmann mit dem schmalen Gehalt aus seiner Lehrtätigkeit in Brooklyn auskommen musste, war er in edlen Restaurants und Bars ein häufig gesehener Gast. Während er vergeblich versucht hatte, auf dem französischen Kunstmarkt Fuß zu fassen, feierte die New Yorker Presse ihn für seine klare Haltung gegen die Nazi-Herrschaft. In St. Louis gab es allerdings auch kritische Töne, wo „The Town“ wegen der phallischen Symbole nicht gezeigt werden durfte. „Diese verdammten Freudianer“, sagte Quappi, als sie von der Entscheidung erfuhr.

Es ist nicht das erste Mal, das der Name Max Beckmann im „Met“ auftaucht: 1950 wurde dort sein „Selbstbildnis in blauer Jacke“ gemeinsam mit Arbeiten 300 anderer Künstler gezeigt, nachdem Beckmann sich bei einem Wettbewerb des Museums durchgesetzt hatte. Der nicht besonders soziale Maler kam nicht zur Eröffnung, machte sich aber einem sonnigen Dezembertag auf den Weg, um es zu betrachten. Ins Museum schaffte er es nicht - auf der 69th Street nahe dem Central Park erlitt er einen Herzinfarkt und starb. Rewald scherzt: „Jetzt ist er zum zweiten Mal hier im Museum, und wieder ist er nicht da.“