Louvre-Zweigstelle in der Stadt Lens
Auch eine Kultur-Revolution: Die Kunst soll der bitterarmen Stadt Lens neuen Glanz bringen.
Lens. Der Bahnhof von Lens ist schäbig, dem Ankömmling fiel bisher sofort die Fassade des ausgebrannten Kinos ins Auge — Symbol für den Niedergang dieser einstmals blühenden und jetzt ziemlich abgebrannten Bergbaustadt. Die Zechen haben längst dichtgemacht, mit 16 Prozent Arbeitslosigkeit zählt die 35 000-Einwohner-Stadt zu den Armenhäusern der Republik.
Nun soll eine Kultur-Revolution mit der Formel „Kunst statt Kohle“ dem Ort im Norden zu frischem Glanz und neuem Mut verhelfen — mit Louvre Lens. Am Dienstag hat Präsident François Hollande die erste Filiale des Pariser Museums eröffnet.
Der Pariser Louvre — dieses Wort steht für eines der größten Museen der Welt, für unermessliche Kunstschätze in einem ehemaligen Königspalast, für eine atemberaubende Kulisse am Ufer der Seine. Gegen so viel Strahlkraft wirkt Lens wie ein kleines Licht. Doch gerade deshalb könnte die gewagte Filialgründung in der glanzlosen Provinz zum Erfolg werden. Die Macher erwarten jährlich 500 000 Besucher.
Wo sich einst die Förderräder von Schacht 9 drehten, hat das renommierte japanische Architektenduo Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa seinen schlichten Entwurf aus Glas, Stahl und Beton verwirklicht: flache, langgestreckte Riegel, entweder in silbrig glänzende Aluminiumhülle verpackt oder mit langen, offenen Glasfronten aufgerissen. „Das milde Licht dieses Landstrichs hat uns inspiriert“, sagt Sejima, die auch den „Zollverein-Kubus“ in Essen mitentworfen hat.
Der Besuch im Pariser Louvre wird oft zum Kraftakt, weil riesige Hallen und prallvolle Abteilungen zu bewältigen sind. Das bleibt dem Besucher von Louvre-Lens erspart. Hier streift er in einer einzigen, lichtdurchfluteten Halle entspannt von der Antike zur Gotik, von der Renaissance zu Barock und Aufklärung und bestaunt ein Meisterwerk nach dem anderen — insgesamt sind’s 207: hier Rubens und Raphael, dort Gréco und Goya. Am Ende steht er vor dem Star der Ausstellung: Délacroix’ „Die Freiheit führt das Volk“ mit der Revolutionärin auf den Pariser Barrikaden.
Die „Renaissance“-Ausstellung mit Werken von Dürer, Botticelli und Leonardo da Vinci setzt in den nächsten drei Monaten ein zweites Ausrufezeichen. Das Thema ist zugleich ein Augenzwinkern, schließlich geht es in dem Museumsprojekt selbst genau darum: die Wiedergeburt einer ganzen Region.
150 Millionen Euro hat das Projekt in Lens gekostet, allein 88 Millionen stemmte die notleidende Region. Daniel Percheron, der umtriebige Präsident des Regionalrats, setzt auf Wachstum durch Kultur und Tourismus. Er nennt seine Gegend jetzt ständig in einem Atemzug mit seinen großen Vorbildern: „Ich bewundere das Ruhrgebiet mit Zollverein und Emscherpark und erhoffe mir die Dynamik von Bilbao.“