Musical: Boybands forever — zurück in die Neunziger
Thomas Hermanns inszeniert Musical rund um Take That & Co. Die Revue ist im März in Köln, Düsseldorf und Oberhausen zu sehen.
München. „Wir hatten eigene Trucks für die Stofftiere, die auf die Bühne geworfen wurden. Sie rochen nach Schweiß und Parfüm“, erinnert sich Bastiaan Ragas, der mit seiner Boyband Caught in the Act in den 1990ern weltweit Erfolge feierte. Heute sind er und seine Kollegen Eloy de Long und Lee Baxter gestandene Männer und Familienväter. „Ich würde meinem Sohn heute nicht unbedingt zu so einer Karriere raten. Erst war es aufregend, dann war es harte Arbeit und heute sind wir wieder glücklich, wenn man uns auf der Bühne zujubelt“, sagt der Sänger.
Mit seiner Band ist er inzwischen ins Rampenlicht zurückgekehrt. In München war das Trio zu Gast bei der Weltpremiere der Revue „Boybands Forever“ im Deutschen Theater. Dort zeichnet Entertainer Thomas Hermanns die Geschichte einer Boyband mit allen Höhen und Tiefen nach. „Wir haben sehr lange nach den geeigneten Darstellern suchen müssen. Insgesamt gab es drei Castings in verschiedenen Ländern. Wir brauchen für das Projekt Künstler, die sowohl die anspruchsvolle Choreographie als auch den Gesang beherrschen und das über zwei Stunden“
Fünf Archetypen hat Hermanns bei den Boybands von den New Kids on the Block bis zu One Direction erkannt. „Es gab den Leadsänger, das war der Typ Schwiegersohn. Dann gab es den süßen Blonden, der immer schon fast wie ein Mädchen aussah. Dazu kamen Bad-Boys wie Robbie Williams oder AJ und der Bruder-Typ, der oft der beste Tänzer mit dem schönsten Körper war. Und dann gab es noch den Fünften, an den sich später keiner mehr erinnert kann. Gerade diesen wollten wir in unserer Show ausführlich vorstellen.“
Hermanns wäre selbst eher ungern bei so einer Boyband gewesen. „Da hätte ich lieber die Rolle von Frieda bei Abba übernommen“, sagt der Mann, der gleichzeitig Autor und Regisseur für das Stück ist. Dieses ist noch bis Mitte Oktober in München und geht dann im kommenden Jahr auf Tour. Im März ist es unter anderem in Köln, Düsseldorf und Oberhausen zu sehen.
Fan der Boybands wurde Hermanns in den 90ern: „Eigentlich war ich als New Waver zu cool für so etwas, aber für mich ist das die beste Popmusik seit Motown in den 60ern. Ich habe mich intensiv mit dem Thema beschäftigt und wollte wissen, warum dieses Phänomen so gut funktioniert.“ Zu dem Phänomen Boyband gehört für ihn auch, dass die Lieder die Gruppen überlebt haben und dass noch vor wenigen Jahren mit One Direction eine neue, junge Boyband Erfolge feierte und das genau nach dem Konzept der 90er.
Im Stück selbst führt Comedian Ole Lehmann als Moderator durch die Revue, die Theater und Konzert in sich vereinigt. Dabei geht es um Künstler, die von den Machern der Boybands bei der Vertragsunterzeichnung über den Tisch gezogen werden und die sich vom ersten Casting über das erste Video und das erste Stadionkonzert nach oben arbeiten. Es geht auch um Drogen und Konflikte in der Boyband, deren Mitglieder 24 Stunden nonstop aufeinanderhängen und den enormen Druck der Fans aushalten müssen. Auch das Thema Homosexualität in Boybands wird nicht ausgespart. Dabei überzeichnet Hermanns das Geschehen manchmal bis zum Slapstick, so wenn die Jungs der Optik wegen bei Videos eine Wasserschlacht veranstalten. Stärken hat das Stück vor allem dann, wenn der alte Boyband-Sound wieder auflebt.
Zu hören gibt es gut zwei Dutzend Songs von „Step by Step“ von New Kids on the Block und „Bye Bye Bye von ’N Sync über „Back for good“ von Take That und „Breathe Easy“ von Blue bis zu den Songs von One Direction, der jüngsten großen Boyband.
„Diese Form der Musik ist oft von den Kritikern belächelt worden, aber da steckt viel sehr gutes Songwriting dahinter. Viele Stücke sind in Schweden in der Tradition von Abba entstanden. Jedes kann sich mit den großen Powerballaden der 70er Jahre messen“, ist sich Hermanns sicher. Hinter der oft skurrilen Optik der Boybands stecke eine hohe Qualität der Choreographie und der Musik. „Es gab natürlich auch Trash, wie teilweise bei den deutschen Boybands wie Touché, die quasi hinterhergeschoben wurden. Wir versuchen da den schmalen Grat zwischen Ironie und Respekt zu meistern.“
Der bunte Bubblegum-Pop der 90er Jahre sei von einer naiven Unschuld geprägt. „Die Mauer war weg, der Kalte Krieg war beendet. Man war optimistisch. Das hat sich mit den Anschlägen vom 11. September 2001 verändert, seit dem ist die Musik deutlich dunkler und nachdenklicher geworden. Aber das Phänomen Boybands wird trotzdem auch in 50 Jahren noch seine Bedeutung behalten.“