„As Time Goes By“: Till Brönner spielt Filmmusik
Berlin (dpa) - Eine Wohnung in Los Angeles hat er schon, jetzt spielt Till Brönner die Musik der Filmstadt. Mit seinem neuen Album „The Movie Album“ spürt Deutschlands bekanntester Jazzmusiker dem Klang von Hollywood nach.
Vom „Pinocchio“-Song bis zum „Titanic“-Ohrwurm - auf seiner Trompete begibt sich der Echo-Preisträger auf eine musikalische Zeitreise zwischen Breitwandsound und Studiointimität.
Für das Werk hat sich Brönner in Los Angeles Unterstützung von hochkarätigen Solisten geholt, etwa dem Soul-Star Gregory Porter, der Sängerin Joy Denalane und Songwriterin Lizzy Cuesta. In den Eastwest Studios, wo einst Frank Sinatra oder Michael Jackson Songs einspielten, habe er sich zunächst „wie in der Höhle des Löwen“ gefühlt. „Ein Hollywood-Album musste ich aber in Hollywood aufnehmen.“ Jeden anderen Aufnahmeort hätte er begründen müssen.
Aber wie klingt eigentlich Hollywood? Ganz bewusst schlägt der Trompeter einen Bogen um die Komponisten aus Hollywoods goldenen Jahren. Zu denen zählt er Dimitri Tiomkin (1894-1979), der etwa den Soundtrack zu „High Noon“ und den zu „Der alte Mann und das Meer“ schrieb, oder Erich Wolfgang Korngold (1897-1957), der ganze Sinfonien für Abenteuerfilme der 30er und 40er Jahre schuf. „Solche Werke, die zum Teil viel moderner sind als die heutige Musik, würde ich mit Klavier, Gitarre und Percussion lieber als typische Jazzstücke verfremden.“
Brönners Hollywood kommt vielmehr federleicht daher und fühlt sich an wie die frische Brise auf einer Cabrio-Fahrt über den Sunset Boulevard. Wenn er zu Beginn „When You Wish Upon A Star“ in seine Trompete haucht, klingt der Song aus Walt Disneys „Pinocchio“ von 1940 nach Sehnsucht und Fernweh. Die große Kunst, wie sie auch im guten Kino erlebbar werde, sei Schwieriges leicht aussehen zu lassen, sagt Brönner.
Gekonnt umschifft er im „Titanic“-Song „My Heart Will Go On“ die Kitsch-Falle der irischen Flöten des Originals, mit Gregory Porter gibt er dem 60er Jahre Hit „Stand By Me“, dem Titelsong aus der gleichnamigen Stephen-King-Verfilmung von 1986 eine warme Note. Mit Joy Denalane lässt er den „Casablanca“-Hit „As Time Goes By“ als intimes Zwiegespräch laufen.
Wie in einem guten Plot, wird Brönner vom Impuls der Melodien angetrieben. Deswegen hat er sich auch wohl vor allem Songs als Filmmusik ausgesucht. Dafür stehen die Titel von Komponisten wie Burt Bacharach („Raindrops Keep Falling On My Head“), Ennio Morricone („Cinema Paradiso“) oder Henry Mancini („Moon River“).
Der in Viersen (Nordrhein-Westfalen) geborene Musiker bleibt sich treu. Etwa im Jahresrhythmus bringt er eine CD heraus, am liebsten Konzeptalben, die eine Geschichte erzählen. Ob „Chattin' with Chet“, eine Hommage an sein Vorbild Chet Baker, oder dem „Jazz Album“ mit Bassbariton Thomas Quasthoff - Brönner ist ein musikalischer Seitenspringer - und er hat kein Problem damit.
Ob das jetzt alles Jazz ist, was er und seine Studiomusiker samt Orchester spielen - die Antwort überlässt Brönner anderen. Der fotogene 43-Jährige hat kein Problem damit, auch als Entertainer wahrgenommen zu werden.
Es ist nicht Brönners erster Ausflug in die weite Welt auf seinen rund 20 Alben. In „Oceana“ (2006) hat er Bebop und Cool Jazz gemischt, wie sie in den 50er und 60er Jahren an der Westküste der USA gespielt wurden, bei „Rio“ verfiel er 2008 dem Bossa Nova.
Wie schon andere Künstler aus Deutschland, hat sich Brönner der amerikanischen Herausforderung stellen wollen. Daheim hat er fast alles erreicht, was man als Jazzmusiker erreichen kann - samt Ausflug in die Jury der VOX-Casting-Show „The X Factor“. In den USA hat er sich wohl schnell eingelebt, ab Januar geht der Jazzer auf Tournee. Dabei will er auch einiges auf die Bühne bringen - unter anderem ein neues Till Brönner Orchestra.