Element Of Crime: Der Charme des Berechenbaren
Berlin (dpa) - Wer von einem neuen Album des Berliner Quartetts Element Of Crime eine grundsätzliche Kursänderung erwartet, hat das Prinzip nicht verstanden. Die Band pflegt ihre Nische, und zu Recht: Schöne Popmusik mit tollen Texten kriegt hierzulande niemand besser hin.
Da ist er also wieder, dieser vertraute Sound. Eine charmante Mixtur aus Schrammelpop, Seemannslied, Akkordeon-Walzer und Rumpel-Folk, dass einem ganz warm wird ums Herz. Dazu singt Sven Regener mit rauchiger Stimme und unnachahmlichem Nordlicht-Dialekt lakonische Holperzeilen: „Am Fluss ging die Sonne/ewig nicht unter/von links nach rechts floss er/und plätscherte munter/vorbei als Du kamst/da war es schon spät/war ja klar.../Am Morgen danach/war'n wir beide noch da.“
Man kennt von Element Of Crime schon ähnliche Lieder wie „Am Morgen danach“, den Opener des 13. Studioalbums „Lieblingsfarben und Tiere“. Aber man kennt sie eben noch nicht zur Genüge. Soll heißen: Alle vier, fünf Jahre kommt eine weitere Platte dieser tollen Berliner Band heraus, die Neuerungen halten sich in Grenzen, und doch freut man sich stets - um im Hauptstadtjargon zu bleiben - „wie Bolle“ auf zehn neue Songs. Spätestens bei „Schabernack“, einem typischen Regener-Wort, ist wohl jeder Element-Fan wieder hin und weg.
Vor 30 Jahren gegründet und seit gut zwei Dekaden mit Erfolg als Deutschpop-Band für anspruchsvolle Kundschaft unterwegs, pflegen Element Of Crime auch mit „Lieblingsfarben und Tiere“ ihre Nische. Regener steht zu einer stilistischen Berechenbarkeit, die manche Kritiker als Bräsigkeit empfinden: „Bands, die sich „dauernd neu erfinden“ - das ist doch alles Marketing-Quatsch“, sagt der 53-Jährige im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. „Man kann das auch doof finden, was wir machen - aber wer solche Musik will, der kriegt sie eben nur bei uns.“
Mit markanten Mariachi-Bläserarrangements und der rauen E-Gitarre von Jakob Ilja hat das neue Album übrigens durchaus seine Aha-Effekte. „Die letzte Platte war etwas folkiger, mit der Geige von Christian Komorowski. Diesmal, mit Saxofon und all den Bläsern, wurde es etwas jazziger. Und so eine gewisse Härte und Kälte erinnern mich an unseren Sound der 80er Jahre“, so Regener. Und fügt augenzwinkernd hinzu: „Aber eigentlich können alle anderen das wohl besser beurteilen als wir, was diesmal anders ist.“
Nach dem Erfolg des vorherigen Albums „Immer da wo du bist bin ich nie“ von 2009 (Platz 2 der deutschen Album-Charts) und trotz Regeners Triumph als Romanautor mit der „Herr Lehmann“-Reihe stand für die Band nie in Frage, dass es weitergehen sollte. „Irgendwann sagt man: Habt Ihr auch wieder Lust? Und dann versetzt man sich gemeinsam in den Modus, wieder Lust zu haben“, sagt der freundliche, souveräne Schlagzeuger Richard Pappik im dpa-Gespräch.
Auch Regener als Sänger, Texter und ja, Aushängeschild von Element Of Crime hatte keine Motivationsprobleme: „Man muss es auch für sich selbst spannend finden, was man tut“, das sei die wichtigste Bedingung. „Wir können doch nicht ein Dreivierteljahr unseres Leben an eine Platte drangeben, die uns selbst nichts bringt. Soviel Zeit habe ich nicht mehr.“ Es wundere ihn selbst, „dass es überhaupt keine Ermüdungserscheinungen gibt“. Denn: „Wir haben jetzt für diese Platte die Songs Nummer 132 bis 141 geschrieben.“
Er wolle sich „nicht vor sich selbst lächerlich machen“, betont Regener. Also investiert er wie immer seit dem brillanten Deutschpop-Debüt „Damals hinterm Mond“ (1991) viel Sorgfalt in seine Texte. Ein Schmuckstück diesmal: der Titelsong, in dem Regener sperrige Worte wie „Schwachstromsignalübertragungsweg“, „Excel- und Word-Dokumente“ oder „Skype-Kontakte“ ebenso unterbringt wie „Dosenravioli“ und „Bildschirm mit Goldfisch“.
Letztlich sei aber auch dieses Lied keine platte Technologie- oder gar Internet-Kritik, sondern nur eine Aufforderung des Ich-Erzählers, ihn jetzt mal am Allerwertesten zu lecken, sagt der gebürtige Bremer in sympathischer Bierruhe. Er selbst habe seinen Internet-Anschluss schon seit 1997. „Das ist ein uralter Hut. Sowohl Dämonisierung als auch Vergöttlichung sind lächerlich, weil sie das Phänomen total überschätzen. Es ist einfach da“, meint der Mann, der einst mit seiner Brandrede für den Urheberrechtsschutz zu einer Kultfigur der deutschen Künstlerszene wurde.