Die Toten Hosen bekommen jüdische Auszeichnung

Düsseldorf (dpa) - Das hätten sich Die Toten Hosen wohl niemals erträumt, als sie als Punkrocker durch die Clubs zogen, wildeste Konzerte spielten und der Bundesgrenzschutz sie gelegentlich im Probenraum aufsuchte.

Foto: dpa

Nach 30 Jahren Musikkarriere stehen die Rockmusiker, die aus der linksalternativen Szene kommen, heute in einer Reihe mit CDU-Kanzlerin Angela Merkel, der Verlegerin Friede Springer und den ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau und Roman Herzog.

Diese Politiker und Persönlichkeiten haben alle in den vergangenen Jahren die Josef-Neuberger-Medaille der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf bekommen. Jetzt sind Die Toten Hosen an der Reihe. Am 1. Oktober nehmen die Musiker und ihr Frontmann Campino (52) die Auszeichnung in Düsseldorf entgegen. Die Medaille steht für persönlichen Einsatz gegen Rechtsextremismus und für Solidarität mit dem jüdischen Volk. Hier liegt die geistige Gemeinsamkeit zwischen den einst als „Bürgerschreck“ betitelten Punkrockern und den anderen Ausgezeichneten.

„Jeder muss an seiner Haustür kehren“, sagt Campino im dpa-Interview. Und er macht damit klar, dass das Engagement der Toten Hosen gegen Rechts in Gesellschaftskreisen fernab von Kundgebungen von Politik und Kirche wie kürzlich in Berlin verläuft. „Wir wollten die harten Fankurven nicht den Rechten überlassen“, sagt er.

Die Toten Hosen waren immer auch eine politische Band. Sie kämpften gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf, protestierten gegen das G8-Treffen der großen Industriestaaten in Heiligendamm und forderten eine Steigerung der Entwicklungshilfe. Doch der Kampf gegen Rechts, das ist für die Band mehr als nur ein Statement. Es ist eine Haltung.

„Ich habe es immer so verstanden, dass wir die Kampfmusik sind für die, die gegen Rechtsextremismus sind“, sagt Campino. Dafür habe die Band auch reichlich eingesteckt und sei seit ihrem Anti-Nazi-Song „Sascha - ein aufrechter Deutscher“ Anfang der 90er Jahre auch vielfach bedroht worden.

Große Illusionen macht sich Campino jedoch nicht, was die Wirkung der Songs der Toten Hosen betrifft. „Es geht nicht darum, dass wir mit unseren Liedern den Anspruch hätten, politisch Andersdenkende oder Querläufer mit verdrehten Ideologien zum Nachdenken zu bringen.“ Mit Argumenten oder sachlich könne man „diesen Vollpfosten aus der rechten Szene“ ohnehin nicht beikommen. „Man muss knallhart dagegen halten“, lautet seine Devise.

Offene Juden-Feindlichkeit, Pöbeleien und Angriffe gegen Israelis auf den Straßen oder Anschläge gegen Synagogen parallel zur Militäroffensive der Israelis gegen die Palästinenser: Die jüdischen Bürger in Deutschland fühlen sich alleingelassen. „Die jüdischen Gemeinden haben in diesem Land Rechte, das ist auch ihre Heimat hier“, betont Campino.

Die Toten Hosen werden aber auch für ein besonderes Konzert ausgezeichnet, mit dem sie die von den Nationalsozialisten geächtete und verbotene Musik jüdischer Künstler dem Vergessen entreißen wollten. Im vergangenen Herbst spielten sie zusammen mit jungen Orchestermusikern der Robert Schumann Musikhochschule Düsseldorf: Lieder der Comedian Harmonists, Häftlingslieder aus den Konzentrationslagern, Kurt Weill, Hanns Eisler.

Campino trat als Sprecher in Arnold Schönbergs Oratorium „Ein Überlebender aus Warschau“ auf - die schwierige Rolle hatte er sich anfangs nicht zugetraut. Doch der Hochschulprorektor Thomas Leander, der als Initiator dieses ungewöhnlichen Projekts ebenfalls ausgezeichnet wird, überzeugte Campino schließlich.

Weniger bekannt ist, dass einige der Stücke wie die Vertonung von Erich Kästners „Stimmen aus dem Massengrab“ oder die „Moorsoldaten“ schon lange zum Repertoire der Toten Hosen gehören. Beim Blick auf das Publikum des Gedenkkonzerts in der Düsseldorfer Tonhalle wurde klar: Die Toten Hosen erreichen sogar mit klassischer Musik ein Publikum, das sonst alles Bürgerliche scheut.