Aus Oasis wird Beady Eye: Göttlich oder einfach nur gut?
Neuer Name, gleiches Prinzip: Nach dem Split von Oasis macht Liam Gallagher ohne seinen Bruder Noel als Beady Eye weiter — peinliche Allüren inklusive.
Düsseldorf. Wenn es nach Liam Gallagher ginge, dann könnte man 2011 getrost abhaken: Denn am 25. Februar veröffentlichte Gallaghers neues Projekt Beady Eye sein Debütalbum. Und das ist für den Engländer nicht nur das Album des Jahres. Es wurde auch eingespielt von der besten Band der Welt.
Dass allein mit U2, den Strokes oder den Red Hot Chili Peppers noch drei absolute Schwergewichte in den Startlöchern stehen, fällt da nicht weiter ins Gewicht. Es ist geradezu zu vernachlässigen. Streng genommen müsste sich demnächst auch die Sonne besinnen und fortan ihre Bahnen um Liam Gallagher ziehen.
Denn für ihn ist er selbst der Mittelpunkt des Universums. Das war schon bei Oasis so. Womit das Stichwort gefallen wäre: Gallaghers vorherige Band war nämlich auch so eine Mischung aus Rockband und Mysterium.
Nichts und niemand durfte gegen sie anstinken. Wer Schlechtes über Oasis sagte, bekam schnell mal eine Faust ins Gesicht. Und wenn die Fans beim Konzert zu wenig Stimmung machten, hauten Gallagher und Co. ihnen ihren größten Hit „Wonderwall“ gerne auch mal vom Band um die Ohren. Kritik kam einer Gotteslästerung gleich.
Und weil Oasis 2009 nach dem immer heftiger werdenden Streit der beiden Alphatiere Liam Gallagher und dessen Bruder Noel auseinandergingen, man etwas angeblich von Gott Geschaffenes aber nicht einfach so auflösen kann, war von vornherein klar, dass es auch einen Nachfolger gibt. Und dass auch der seinen Platz im Rockstar-Olymp beanspruchen würde: Beady Eye, die Göttlichen 2.0.
Sicherlich: Noel, der komponierende Querulant, ist nicht mehr dabei. Rausgefegt von der Hybris seines Bruders. Aber mit Liam (Gesang), Andy Bell und Gem Archer (beide Gitarre), Chris Sharrock (Schlagzeug) und Tourbassist Jeff Wootton sind alle anderen von früher noch an Bord. „Ich sehe keine bessere Band im Moment“, sagte Noel Gallagher jüngst im Interview mit dem Musikmagazin „Slam“. Und Gem Archer beschrieb „Different Gear, Still Speeding“ an gleicher Stelle folgendermaßen: „Es ist ein fantastisches Album. Ein großes, großes Album. Wir hätten es auch gar nicht veröffentlicht, wenn es nicht derartig großartig wäre.“
Nur die ständigen Vergleiche mit Oasis, die sollten bitteschön nicht sein. Aber um eben die kommen Beady Eye nicht herum. Das macht die Vorgeschichte schlichtweg unmöglich. Götter — selbst wenn es nur selbst ernannte sind — verändern sich schließlich nicht von jetzt auf gleich.
Und die Band selbst versucht auch gar nicht ernsthaft, dem entgegen zu steuern: Die 70er-Jahre-Ästhetik mit Pilzköpfen und langen Mänteln ist immer noch da. Und die Musik klingt immer noch nach jenem an die Beatles, die Kinks oder The Who angelehnten, melodieseligen Garagenrock, der schon zu Oasis-Zeiten stets mit der überflüssigen Wortschöpfung „Britpop“ umschrieben wurde.
„Different Gear, Still Speeding“ schließt zum einen an die Oasis-Klassiker „Definitely Maybe“ (1994) und „(What’s The Story) Morning Glory?“ (1995) an, die völlig zu Recht als prägend für die 90er Jahre gelten. Und es könnte zum anderen das direkte Nachfolgealbum der letzten Oasis-Platte „Dig Out Your Soul“ sein, die 2008 eine lange Durststrecke von musikalisch unausgegorenen Veröffentlichungen der Band aus Manchester beendete.
Das wiederum ist ein gutes Zeichen, denn: Diese drei Alben waren Oasis’ beste, weil sie die großen Hymnen und Balladen enthielten, die eine Zeit lang keine andere Band so unfassbar cool spielte. Natürlich macht das Beady Eye noch lange nicht zur besten Band der Welt oder ihre Platte zum Album des Jahres.
Aber, wer Beady Eye hört, der denkt: Gut, dass diese Jungs weitergemacht haben. Das ist zwar noch keine Heiligsprechung. Aber immerhin ein Ritterschlag.