„Beethovens Werkstatt“: Wie das Genie mit Noten kämpfte
Bonn (dpa) - Mit seinen Kompositionen war Ludwig van Beethoven selten zufrieden. Immer wieder überarbeitete, korrigierte, verwarf er ganze Passagen in den Notenblättern. Dann kehrte das selbstkritische Genie (1770 - 1827) durchaus auch wieder zu einer früheren Fassung zurück.
Das Bonner Beethoven-Haus, Geburtshaus, Museum und Forschungsstätte, verfügt über eine der weltweit größten Sammlungen von Handschriften und Notenblättern. Zusammen mit Experten des Musikwissenschaftlichen Seminars Detmold/Paderborn wollen die Bonner Wissenschaftler den Entstehungsprozess von Kompositionen nachvollziehen. Das Projekt „Beethovens Werkstatt“ hat 2014 begonnen und soll 16 Jahre laufen.
„Wir versuchen, mit modernen Methoden herauszufinden, wie die Notentexte, auf denen Beethovens Musik beruht, entstanden sind“, berichtet Julia Ronge, Wissenschaftlerin am Beethoven-Haus in Bonn. Beethoven habe viel mehr Versionen und Skizzen hinterlassen als andere große Komponisten. „Es sind irgendwo zwischen 5000 und 6000 Blätter.“ Große Teile der Papiere sind digitalisiert und können auf der Internetseite des Beethoven-Hauses eingesehen werden. Dort werden die fast unleserlichen Handschriften des Meisters übersetzt, Briefe vorgelesen und Musikstücke präsentiert.
Am Ende des 6,1 Millionen Euro teuren Forschungsprojekts soll die Entstehung mehrerer Kompositionen wie in einem Film nachvollziehbar sein. Auch die berühmte 6. Symphonie, die Pastorale, werde erforscht, berichtet der Musikwissenschaftler Prof. Joachim Veit aus Detmold, der mit seinem Team die Digitalisierung übernimmt. Musiker und Laien sind gleichermaßen angesprochen.
Nicht nur dass der in Bonn geborene Beethoven seine Kompositionen immer wieder überarbeitet und sogar gedruckte Ausgaben noch geändert hat - eine Hürde ist auch seine schwer zu entziffernde Schrift. Und Kenner meinen, die Noten seien sogar noch schwerer zu lesen. „Wir haben Tage gebraucht, um Skizzen zu verstehen“, erzählt der Detmolder Forscher über das Studium von Notenblättern. „Da fragt man sich, wie konnten seine Kopisten das lesen?“ Im Entziffern sind die Forscher am Beethoven-Archiv geübt und die Spezialisten.
Beethoven habe auch nach vielen Jahren Entwürfe, „Für Elise“ etwa, wieder bearbeitet, berichtet die Forscherin Julia Ronge. „Er hat nie aufgehört, sich damit zu beschäftigen.“ Der Komponist, der die meiste Zeit seines Lebens in Wien verbrachte, habe die Handschriften und Skizzenbücher bei seinen zwischen 40 und 60 Umzügen stets mitgenommen. „Da konnte er immer mal durchblättern und gucken, ob man nicht etwas verwenden kann.“
Eine Eigenheit des genialen Künstlers ist, dass er Schwierigkeiten hatte, in den Kompositionen einen Schluss zu finden. „Dann verwirft er den, kehrt zu der ursprünglichen Form zurück, dann probiert er wieder etwas Neues“, berichtet Beethoven-Forscherin Ronge. „Es geht darum zu sehen: Wie ist der Prozess?“ Erste Arbeitsergebnisse sollen bald im Internet zu sehen sein.