Bosse nach Tief wieder auf Tour

Nürnberg (dpa) - Vor gut einem Jahr war Axel Bosse sehr gestresst. Der Sänger, besser nur unter Bosse bekannt („Frankfurt Oder“, „Schönste Zeit“), brach seine Tour wegen gesundheitlicher Probleme ab und flüchtete mit Frau und Kind nach Istanbul - an den Taksim-Platz.

Wie das halbe Jahr in der Stadt die Perspektive seines neuen Albums „Kraniche“ veränderte und warum Bosse die Proteste in der Türkei am eigenen Leib spürt, beschreibt er im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa am Rande des Festivals „Rock im Park“ in Nürnberg.

Mit Blick auf die einsetzenden Proteste in der Türkei: Sind Sie mit ihrer türkischstämmigen Frau und ihrer Tochter zu früh aus Istanbul weggegangen?

Bosse: „Ich glaube, dass eher meine Frau das Gefühl hat, dass sie jetzt gerade da sein muss. Man sagt in der Türkei: Wenn man eine Türkin heiratet als Deutscher, heiratet man auch das ganze Land. Das hat mir auch mein Schwiegervater gesagt. Und ein bisschen ist es auch so. Jetzt bin ich auf Tour und es ist vielleicht auch ganz gut, dass ich ein bisschen Abstand habe. Wir haben direkt am Taksim-Platz gewohnt. Aber alle Menschen, die ich dort kenne, sind aktiv und friedlich auf Protestmärschen. Dass im Moment die antidemokratischen Entscheidungen und die Polizeigewalt das Fass zum Überlaufen bringen, war einigermaßen absehbar.“

Was verändert die direkte, verwandtschaftliche Verbindung in die Region?

Bosse: „Man fühlt es am eigenen Körper. Da ich in der Türkei jetzt so viele Leute habe und meine Frau, die die ganze Zeit aufgeregt ist, dass jemand eine illegale Ladung Pfefferspray ins Gesicht kriegt, ist das noch mal eine ganz andere Angst. Weil man das Gefühl hat, man ist selber so mit dabei.“

Wäre das lebensbejahende Album „Kraniche“ anders geworden, wenn Sie die Proteste mitbekommen hätten?

Bosse: „Ich hätte wohl ein anderes Album geschrieben. Es gibt aber offenbar einen anderen Grund, warum ich Musik mache. Bei Peter Licht oder bei Tocotronic ist es klar, dass das gesellschaftliche Alben sind. Oder bei Hannes Wader. Ich schätze die und liebe die auch so sehr, weil ich eben so etwas genau nicht mache. In meinen Alben geht es ja vielmehr um Zwischenmenschlichkeiten.“

Als Sie sich für die Auszeit entschieden, mussten Sie kurz vorher ihre Tour abbrechen...

Bosse: „Mein komplettes Jahr war ein Jahr, in dem ich körperlich und seelisch ziemlich gestresst war. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben das Gefühl, mich übernommen zu haben. Am Ende war es dann aber wahrscheinlich auch nur eine Kehlkopfentzündung. Ich hatte, glaube ich, 140 Auftritte in den Knochen. Und ich war dann immer so müde.“

Das klingt ein bisschen nach Burnout.

Bosse: „Ein Stück weit auf jeden Fall. Meine Tochter war mit auf Tour, die Hallen waren ziemlich voll und ich war davon ziemlich gestresst, dass es so gut lief. Das staffelt sich dann so. Und wenn dann eine Sache nicht richtig läuft, bricht das ganze Kartenhaus zusammen. Dann ist mir aufgefallen, dass es bei mir im Leben schon ziemlich lange so ist. Deswegen geht es auf dem Album auch ziemlich viel darum, sich locker zu machen.“

Und jetzt sind Sie locker? Auf dem neuen Album singen Sie von erfüllter Liebe und der Freude am Leben.

Bosse: „Total. Also es ist eigentlich das komplette Gegenteil von dem, was ich sonst so gemacht habe. Ich hatte auch das Gefühl, dass es Zeit ist, weil ich bin eigentlich selten traurig. Ich stehe echt ziemlich gern auf und ich hab eine ziemlich coole Tochter und eine ziemlich coole Frau und eine 1A Band.“