Bravo-Rufe: José Carreras feiert Traum-Comeback
Bilbao (dpa) - José Carreras kann es mit 67 immer noch: Bei seinem Comeback auf die Opernbühne nach mehr als acht Jahren wurde der Startenor mit Standing Ovations, tosendem Applaus und lauten Bravorufen gefeiert.
Der Spanier trat am Samstagabend im nordspanischen Bilbao bei der Weltpremiere der neuen Oper „El Juez“ (Der Richter) des österreichischen Komponisten Christian Kolonovits als Titelheld auf. Nicht nur die rund 1200 Besucher im ausverkauften Teatro Arriaga waren hin und weg. Auch die Kritiker waren entzückt.
Die spanische Nachrichtenagentur efe sprach von einem „triumphalen Comeback“, bei dem Carreras mit „umwerfenden Talent und Können“ geglänzt habe. Er habe in der gesamten, immerhin knapp zweieinhalbstündigen Produktion „einen eindrucksvollen Beweis seiner Stimmkraft und seiner außerordentlichen Beherrschung des dramatischen Registers“ geliefert, hieß es weiter.
Das Comeback von Carreras hatte nicht nur in Spanien und in Europa, sondern weltweit große Erwartungen geweckt. Nach Angaben des Theaters reisten Opernfans aus 15 Ländern, darunter auch aus China, Japan, Australien, Kanada, den USA, Kolumbien, Mexiko und Argentinien extra an.
„Ich fühle mich glücklich, dass ich nach acht Jahren erstmals wieder eine komplette Oper singen werde“, hatte Carreras bei der Präsentation der Koproduktion des Arriaga und der österreichischen Kupfer Kultur & Media gesagt. Der Katalane, der in den vergangenen Jahren nur bei Konzerten und Shows (darunter TV-Benefizgalas in Deutschland) aufgetreten war, bezeichnete seine neue Rolle als „sehr große künstlerische Herausforderung“.
In „El Juez“ geht es um - in Spanien aufgrund verschiedener Familieninitiativen noch sehr aktuelle - Drama der „gestohlenen Kinder“, die den Eltern während der Diktatur von Francisco Franco (1939-1975) entrissen wurden. Die Entführungen durch Nonnen und Ärzte erfolgten in erster Linie aus politischen Gründen. Die Söhne und Töchter nicht linientreuer Eltern sollten nach den Vorstellungen des Regimes erzogen werden.
In einer Oper mit vielen musikalischen Einflüssen bis hin zum Jazz, Rock und Pop spielt Carreras die Rolle des „Federico“, eines Richters, der mit seinem Gewissen kämpft, weil er hilft, die Verschleppungen zu decken. Der italienische Bass-Sänger Carlo Colombara präsentiert sich in der Rolle des „bösen Morales“ ebenfalls in hervorragender Form. Unter der musikalischen Leitung des Carreras-Neffen David Giménez glänzen zudem unter anderen der Tenor José Luis Sola und die Sopranistin Sabina Puértolas.
Regie führt der spanische Altmeister Emilio Sagi, für das Libretto zeichnete Angelika Messner verantwortlich. Mit dem Burgenländer Kolonovits (63), der als Arrangeur, Komponist und Musikproduzent unter anderem auch mit Boney M., Michael Bolton, José Feliciano und den Scorpions zusammenarbeitete, bildet die 44-jährige Österreicherin ein eingespieltes Duo: Beide hatten etwa 2009 mit der Pop-Oper für Kinder „Antonia und der Reißteufel“ ein Meisterwerk geschaffen.
Im Mittelpunkt des „Richters“, der noch am Dienstag und Freitag dieser Woche in Bilbao aufgeführt und dann im August bei den Tiroler Festspielen präsentiert wird, steht aber natürlich Carreras. „Mir geht es nach einer sehr schwierigen Phase in meinem Leben gesundheitlich großartig“, verriet dieser Tage der Mann, der 1987 an Leukämie erkrankte. Die Ärzte hatten ihn schon abgeschrieben, Carreras konnte aber die schwere Krankheit nach einer Knochenmarktransplantation besiegen. 1988 gründete er die Carreras-Stiftung, um Geld im Kampf gegen Leukämie zu sammeln. Bei seinen jährlichen TV-Benefizshows in Deutschland kamen schon unzählige Millionen zusammen - und Tausende neuer Fans hinzu.
Weltbekannt wurde der Sohn eines Verkehrspolizisten und einer Friseuse durch einen Auftritt bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in Rom mit Luciano Pavarotti und Plácido Domingo als „Die drei Tenöre“. Seine gute Verfassung, räumte Carreras jetzt ein, habe ihn dazu ermuntert, vor etwa zwei Jahren die Herausforderung des Comebacks anzunehmen. Auf die Frage eines Journalisten, ob er nach dem „Richter“ weitermacht, wollte sich der inzwischen legendäre Verdi- und Puccini-Interpret partout nicht festlegen. „Ich denke nur von Spiel zu Spiel“, scherzte er, und fügte an: „Wer weiß, ob mich nicht das Fieber der Schminke, der Kostüme und der Lichter packt .“ Er wolle auch die Reaktion des Publikums abwarten - das hat allerdings inzwischen sein Urteil in Bilbao schon längst gefällt.