Perfekter Pop-Seelenbalsam von The Pearlfishers
Berlin (dpa) - Wäre David Scott ein Maler, sähen seine Bilder vielleicht aus wie die von David Hockney: Leuchtend, opulent, beruhigend, manchmal fast schon zu edel und „stylish“. Als Melodien-Maler hat Scott mit dem neuen Pearlfishers-Album nun seine Kunst perfektioniert.
Und diesmal berührt er das Herz wie noch nie zuvor. Jedes der 16 (!) Lieder dieses Prachtpop-Großwerks schwelgt in Harmonien, die eines Brian Wilson, Burt Bacharach, Paul McCartney, Jimmy Webb oder Paddy McAloon würdig wären. Womit auch schon die wichtigsten Bezugspunkte des Sängers, Songwriters und Multiinstrumentalisten Scott genannt wären - er bedient sich für Inspirationen nur bei den Allerbesten seiner Zunft, ohne sie zu kopieren. Dass dieser Mann bisher nicht berühmter wurde, ist eine große Ungerechtigkeit und sollte sich mit der sechsten Pearlfishers-Platte in 17 Jahren ändern.
Schon das Covermotiv und der Albumtitel „Open Up Your Colouring Book“ (aber beispielsweise auch die Van-Gogh-Hommage „The Way My Father Talked About Vincent“) weisen darauf hin, dass der Schotte eine starke Affinität zur Malerei hat. Und Scott malt hier wieder mit breitem Pinselstrich, erlesenen Farben und überschwänglicher Begeisterung für monumentale Entwürfe: Neben Scotts Gitarren, Mandolinen, Glockenspielen und Keyboards kommt mehrfach ein Streicherensemble zum Einsatz, zwei Trompeten verstärken die oft getragen-feierliche Stimmung.
Hier wird wirklich an nichts gespart - vielleicht kommt ja deshalb nur alle paar Jahre ein neues Pearlfishers-Album auf dem von zwei Musikjournalisten geführten Hamburger Liebhaber-Label Marina heraus. Seit dem ähnlich gelungenen Vorgänger „Up With The Larks“ (2007) ist auch schon wieder eine halbe Ewigkeit vergangen. Scotts langjähriges Innehalten hat immerhin den Vorteil, dass sich beim Neubeginn trotz der enormen Album-Laufzeit von 66 Minuten kein Füllwerk auf „Open Up...“ befindet.
So ist es auch müßig, einzelne Songs aus diesem romantischen, melancholischen Reigen hervorzuheben. Sicher, mit dem Opener-Trio „Diamanda“, „To The Northland“ und „Chasing All The Good Days Down“ gelingt den Pearlfishers - ein lockerer Verbund von Musikern rund um David Scott - ein Traumstart in das Album. Aber auch danach verkümmert kein einziges Lied zu Durchschnittsware. Am Ende steht mit der Ballade „A Christmas Tree In A Hurricane“ (womöglich ein Überbleibsel vom thematischen Album „A Sunflower At Christmas“ aus dem Jahr 2004) eine Weihnachtsreferenz, die zum Glück ganz ohne Jinglebells auskommt.
„Open Up Your Colouring Book“ ist ein herrlich arrangiertes, wunderbar gesungenes, hemmungslos nostalgisches Album - völlig zu Recht erscheint es im Frühjahr und feiert die Schönheit purer Popmusik, wie man sie vor allem aus den mittleren bis späten 60er Jahren kennt. Die heute übliche Ironie beim Umgang mit den Sixties-Heroen gibt es hier nicht - Scott und seine Perlenfischer meinen alles völlig ernst. Wohl auch deshalb tut diese Platte so gut. Ein wahrer Seelenbalsam.