Clueso: Schlaglichter aus dem Alltag

Berlin (dpa) - Manchmal will die Musik nicht so wie der geplagte Musiker. Und dann? Macht man Pause. Angelt mit Opa. Springt mit den Mitbewohnern in den Pool, bis man, einer Eingebung folgend, „mit nassen Haaren die Gitarre in die Hand nimmt“.

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Irgendwann bricht es sich schon Bahn. So beschreibt Clueso im dpa-Interview den Entstehungsprozess seines sechsten Albums „Stadtrandlichter“. Viele Songs seien „einfach passiert“.

Vor drei Jahren veröffentlichte der heute 34-jährige Erfurter Songwriter, der bürgerlich Thomas Hübner heißt, das Album „An und für sich“. Danach brauchte er eine Pause. „Es war nicht dramatisch, aber es war schwer, freie Momente für Musik zu finden. Das ist, als sagte man einem Kind: Du darfst zwei Stunden spielen, ich hole dich dann wieder ab, dreh nicht durch!“

Clueso aber wollte durchdrehen, wollte einfach Musik machen. Nahm ein Album auf, das ebenso in der Schublade verschwand wie die gemeinsam produzierte Musik des 84-jährigen Großvaters („Er will nicht. Und Oma will nicht, dass er noch einmal auf Tour geht. Er soll zu Hause bleiben“) - und wartete. Dann kam, so geht die Geschichte, der Befreiungsschlag: „Stadtrandlichter“, der Titelsong. „Den kann ich sofort spielen, wenn man mich nachts weckt“, sagt Clueso.

Unter den 17 Stücken des Albums ist das Stück eher eine Ausnahme - eine stimmungsvolle Skizze des Heimkommens nach langer Zeit. Effektvoll kratzt Cluesos Stimme zur Gitarre. Dem Rest des Albums fehlt diese tiefe Melancholie. Es klingt vielmehr, wie Clueso eben klingt. Abwechslungsreiche, klare und meist lebensfrohe poppige Musik mit einfachen, schnörkellosen Texten und Einflüssen von überall.

Nach dem gemeinsamen Hit „Cello“ (2011) ist Udo Lindenberg auch diesmal als Gesangspartner vertreten („Sein Song“). Die Gitarre surrt mal wie am Lagerfeuer („Stadtrandlichter“), mal jault sie elektronisch im Solo („Lass den Kopf nicht hängen“). Hin und wieder wabern Synthesizer-Klänge durch den Raum wie ein Zugeständnis an den elektronischen Zeitgeist („Freidrehen“, „Geradeaus“) - aber, sagt Clueso, „wer nach dem letzten Album dachte, Clueso wird jetzt elektronisch, wird enttäuscht sein“.

Inhaltlich geht es überwiegend um nicht mehr und nicht weniger als das ganz normale Leben in einer Großstadt „etwas ab vom Schuss“, erzählt von einem gut situierten Mittdreißiger: große Entscheidungen, Partys, Begegnungen im Stillen - Schlaglichter aus dem Alltag, trotz gelegentlich anklingender Zweifel irgendwie munter. Die Coming-of-Age-Nostalgie mancher Altersgenossen fehlt ebenso wie große Politik: Die sei so komplex, findet Clueso, „da kommt sofort irgendein Schlaumeier um die Ecke und macht dich mit Hintergrundwissen platt“.

Und auch eine große Klammer, die den bunten Mix zusammenhält, gibt es nicht - bewusst, sagt er: „Ich wollte ein Album ohne Kopf machen“. Dass er nicht nur erstmals im eigenen Label veröffentlicht, sondern auch fast alles selbst produziert hat, sei Ausdruck eines kindlichen Wissensdurstes. „Ich dachte, ich kann auch in dieser Dekade des Lebens noch so viel lernen“.

Das Neue, darauf hat Clueso wieder richtig Lust. Manches am Album, mit dem er ab Oktober durch Deutschland tourt, würde er heute schon wieder anders klingen lassen, minimalistisch, nicht so opulent. Zufrieden ist er trotzdem: „Mit dem Album werde ich lange leben können. Es rumpelt und zuckelt und schmeißt mich immer noch hin und her“.

Tourdaten: 25.10 Linz, 26.10 Graz, 29.10 Wien, 30.10 Zürich, 01.11 Amsterdam, 02.11 Luxemburg Stadtrandlichter-Tour: 24.11 Hof, 25.11 Frankfurt a.M., 26.11 Oberhausen, 28.11 Braunschweig, 29.11 Köln, 01.12 München, 02.12 Stuttgart, 05.12 Berlin, 07.12 Leipzig, 08.12 Hamburg, 27.12 Erfurt