Daft Punk: Zwei gute Gründe für die Helmpflicht

Luken zu, Motor an: Daft Punk sind zurück, um ihre tanzwütigen Jünger mit auf Sternenreise durchs Pop-Universum zu nehmen.

Düsseldorf. Sie sind wieder gelandet, die beiden Roboter in Silber und Gold. Wobei sich Thomas Bangalter (Silber) und Guy-Manuel de Homem-Christo (Gold) dieses Mal arg geziert haben, Normalsterblichen Einlass in ihr Raumschiff mit Tanzfläche im Maschinenraum zu gewähren.

Alle Menschen, die „Random Access Memories“, das erste Studioalbum von Daft Punk seit acht Jahren, hören wollten, mussten eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Bloß keine Schlagzeilen vor der Landung! Daft Punk wollten die Welt wie die Aliens in „Independence Day“ überrumpeln.

Und der Plan ging auf: Bis Anfang dieser Woche war nicht ein Ton in den Weiten des Netzes zu vernehmen — die erste Single „Get Lucky“ mal ausgenommen.

Aber jetzt, wo sich die Töne aus dem Ufo hinaus ins Gehör gewummert haben, steht fest: „Random Access Memories“ ist nicht nur 74 Minuten lang. Es ist ein 74 Minuten langes Manifest. Eines, das der Menschheit die eigene Pophistorie um die Ohren haut. Zumindest die der Dancefloor-Musik.

Wer die 13 Songs durch hat, der ist überzeugt, dass Pop seit jeher einzig und allein aus den Disco-Zutaten Electro, Funk und House mit seinen 130 Beats pro Minute besteht. Und der weiß: Es geht nur darum, mit schlackernden Gliedmaßen einen höheren Bewusstseinszustand zu erreichen. Die Tanzfläche ist dabei das, was für Kirk und Spock der Beamer raus in neue Welten ist.

Im 20. Jahr sind Daft Punk unterwegs, stets unerkannt dank Roboterhelmen. Der Aufwand, den Bangalter und de Homem-Christo für ihre neuerliche Lektion betreiben, lässt staunen: Mit Pharrell Williams (The Neptunes, N.E.R.D.), Julian Casablancas (The Strokes), Nile Rodgers (Chic) und der grauen Eminenz des Synthesizers, Giorgio Moroder, nahmen sie ausschließlich Protagonisten in ihre Sternenflotte auf, die die Popmusik irgendwann irgendwie mal umgewälzt haben. Unter dem Attribut „prägend“ geht es bei Daft Punk eben nicht.

Schließlich haben sie seit ihrem Debüt „Homework“ (1997) den Pop ebenfalls entscheidend vorangebracht: Sie trieben mit ihrem Maschinen-Mummenschanz die Electro-Musik aus dem Nischendasein raus in den Mainstream und erschlossen ihr eine neue Hörerschaft. Sie mischten Van-Halen-Riffs unter, jagten Stimmen durch den Vocoder. Und sie setzten Musik- und Sprach-Samples zu bunten Geräusch-Mosaiken zusammen, die zwar fluffig und locker pluckern, aber ein extrem sicheres Gespür für die großen musikalischen Dimensionen offenbaren.

Wer einmal konzentriert dem Über-Hit „Around The World“ (1997) lauscht und dazu das Video mit seinen über Treppen wackelnden Robotern anschaut, der merkt: Hier legt sich eine Synthesizer-Schicht passgenau über die nächste. Choreografie und Musik gehen fließend ineinander über. Die anscheinend immer gleiche Melodielinie wird zur orchestralen Komposition gesteigert, die die Synapsen im Körper anfixt und durchdrehen lässt.

Daft Punk waren immer schon die Weiterentwicklung einer Band wie Kraftwerk, die nächste Stufe eines ewigen Prototyps. Bei Konzerten dirigieren sie wie zwei vollautomatische Captain Futures die Massen, aber immer mit einem winzigen Kurzschluss in der Mensch-Maschinerie, der sie tanz- und nahbar macht.

Die Alben „Discovery“ (2001) und „Human After All“ (2005) zeugen davon genauso wie ihr Soundtrack zur Neuauflage des Science-Fiction-Klassikers „Tron“ (2010) aus dem Hause Disney. Auf „Random Access Memories“ allerdings wird ihr Konzept klarer als je zuvor — mit einem homogen zwischen Nostalgie und Moderne schwankenden progressiven Disco-Sound.

Insofern ist auch der Vermarktungs- und Größenwahn hinter diesem Album völlig egal. Daft-Punk-Hörer waren doch immer schon die, die bei der Ankunft der Typen vom anderen Stern mit Plakaten auf der Straße standen, auf denen in großen Lettern „Willkommen“ und „Nehmt uns mit“ prangte.