Zehelein kritisiert „Tannhäuser“-Absetzung
Köln (dpa) - Der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Klaus Zehelein, betrachtet die Absetzung der umstrittenen „Tannhäuser“-Inszenierung in Düsseldorf als überzogene Reaktion. „Man hätte sie nicht absetzen müssen“, sagte Zehelein in einem Gespräch der Deutschen Presse-Agentur.
„Kunst muss einem gewissen gesellschaftlichen Druck Stand halten können, selbst wenn etwas misslungen ist - aber letzteres kann ich nicht beurteilen, weil ich die Produktion nicht gesehen habe.“
Ein Wiederaufnahme der Inszenierung hält Zehelein jedoch für unrealistisch. Der Präsident der Akademie der Künste in Berlin, Klaus Staeck, hat gefordert, die umstrittene Inszenierung wieder in ihrer ursprünglichen Form zu zeigen.
Rheinoper-Intendant Christoph Meyer hatte die Inszenierung von Regisseur Burkhard C. Kosminski mit drastischen Gaskammer- und Erschießungsszenen nach empörten Reaktionen vieler Zuschauer nur vier Tage nach der Premiere abgesetzt. Er lässt die Wagner-Oper nur noch konzertant aufführen. Mehrere Zuschauer hatten sich nach der Premiere mit brutalen Nazi-Szenen in ärztliche Behandlung begeben. Die Gesundheit gehe über die künstlerische Freiheit, hatte Meyer seine Entscheidung begründet.
Unter Zensur würde er den Fall nicht fassen, weil Zensur eine staatliche Maßnahme sei, nicht aber die Entscheidung eines Opernhauses, sagte Zehelein. „Wenn man der Meinung ist, eine Inszenierung so nicht rauslassen zu wollen, dann diskutiert man das im Vorfeld.“
Eine Wiederaufnahme hält Zehelein für unrealistisch: „Man kann das Ding nicht einfach wieder ansetzen als wäre nichts gewesen - das geht überhaupt nicht.“ Regisseur und Opernhausleitung sollten sich zusammensetzen und eine gemeinsame Lösung suchen - vorausgesetzt es herrsche Einigkeit, dass das nicht ganz richtig war: „Eine Änderung im Nachhinein kann man nur mit der Regie selbst machen, aber nicht selbstherrlich tun.“
Zehelein erinnert der Düsseldorfer Fall an zwei Inszenierungen von Hans Neuenfels. Eine „Idomeneo“-Inszenierung, in der abgeschlagene Köpfe von Religionsstiftern - unter anderem des Propheten Mohammed - auf einen Stuhl gelegt werden, wurde 2006 mehrere Monate aus Furcht vor islamistischer Gewalt abgesetzt. „Auch eine völlig überzogene Reaktion damals, nur weil sich einige Zuschauer aufregten“, sagte Zehelein. Im Januar 1981 habe er in Absprache mit der Polizei an einer „Aida“-Premiere in Frankfurt festgehalten, obwohl es Stunden zuvor eine Bombendrohung gab. Spürhunde und eine Hundertschaft der Polizei hätten damals das Opernhaus durchsucht.
„Manche meinten damals, diese "Aida" sei eine Schändung des Komponisten - am Ende war diese Neuenfels-Inszenierung ein Riesenerfolg.“ „Wir alle neigen dazu, unsere Erwartungshaltungen erfüllt sehen zu wollen“, beschrieb Zehelein das Empfinden von Theaterbesuchern. „Es ist aber grundsätzlich richtig, Theaterstücke auf unsere heutige Situation zu befragen - wir sind ja keine historisierenden Menschen, die Geschichte als eine Art Gut betrachten, das nur gepflegt werden müsste.“