Das Herz der Kooks bollert wieder
Lange waren The Kooks von der Bildfläche verschwunden. Nun legen sie mit „Listen“ ein neues Album vor. Von ihrem altem Stil haben sie sich gänzlich verabschiedet.
Düsseldorf. Dieses Album heißt „Listen“. Das bedeutet „zuhören“. Allerdings ist auf dem Cover kein Ohr abgebildet, sondern ein Herz. Ein seltsam blaues. Und keines, das aussieht wie die prallen, niedlichen Herzchen in Comics und Liebesbriefen — sondern ein menschliches, organisches. Kurzum: Das Plattenmotiv von „Listen“, dem vierten Studioalbum der englischen Band The Kooks, könnte problemlos als das hässlichste seiner Art in diesem Jahr durchgehen.
Gleichzeitig aber passt es besser zur Entwicklung dieser Band als jedes Designer-Kunststück. Früher nämlich, da machten The Kooks Indie-Pop, der genau so klang, wie die knuffigen Liebesbriefherzchen aussehen: die Welt umarmend in seiner Melodieseligkeit und Verspieltheit. Jeder Song ein fetter Knutscher auf die heißen Ohren der Zuhörer.
„Seaside“, „Sofa Song“, „You don’t love me“, „Ooh La“, „Shine on“ waren Lieder zwischen The Clash, Police und Blur. Zwischen dezentem Rock, fröhlichem Ska, Reggae und diesem seltsam neu und doch heillos antiquiert klingenden Post-Punk, der Anfang des neuen Jahrtausends durch die Welt rollte.
Ein Haufen naiver, unwiderstehlicher Pop-Perlen. Vielleicht die schönsten ihrer Zeit — weil sie das Herz und die Ohren öffneten mit ihren Tönen und den Texten über die unendlich wichtigen Belanglosigkeiten der Adoleszenz.
Eigentlich war es kein Wunder, dass The Kooks, diese — frei übersetzt — Verrückten und Spinner, einen derart rasanten Aufstieg hinlegten. 2004 gegründet, stand die Band um Luke Pritchard (Gesang, Gitarre), Hugh Harris (Gitarre), Peter Denton (Bass) und Paul Garred (Schlagzeug) zwei Jahre später bereits mit einem Major-Vertrag da: Virgin Records hatte ein kleines Demo der Burschen gehört, angeklopft, „Guten Tag“ gesagt — und die Stifte zur Unterschrift mitgebracht.
Das erste Album „Inside In/Inside Out“ kam 2006 heraus. Die Leute hörten zu. Und die traditionell nach dem neuesten, heißen Ding lechzende Musikjournaille auf der Insel schrieb der Band den ersten, fetten Liebesbrief und erklärte sie darin zum „Best British Act“. Es folgten Auftritte im Vorprogramm der Stones, der Subways, der Thrills sowie bei Festivals überall in Europa. Die Alben „Konk“ (2008) und „Junk Of The Heart“ (2011) kamen hinzu und dehnten die lustige Gute-Laune-Spirale weiter.
Und dann: Stille. Der Herzschlag verstummte. Es gab nichts mehr zum Zuhören. Eine Pause nach der Party. Bis jetzt: „Listen“. Und mit diesem Herz in Blau ist plötzlich irgendwie alles anders als vorher. Auf einmal sind da nicht mehr elf Songs, die wie die Perlen an der um den Teenager-Hals gelegten Kette hintereinander aufgezogen wurden und nacheinander immer gleich poppig-niedlich-charmant klingen.
Auf einmal sind da elf Songs, die nach erwachsenen Musikern klingen. Nach erwachsenen Musikern, die experimentieren und sich neu orientieren. The Kooks — die ehemaligen, schrägen Studenten-Vögel des Brighton Institute Of Modern Music — wollen zwar immer noch, dass sich die Leute da draußen in sie verlieben. Aber nicht mehr Hals über Kopf und aus der Feierlaune heraus, sondern so richtig ernst mit einem lauten „Ich liebe Dich!“, das erst nach einiger Zeit und reiflicher Überlegung geschwört wird.
Angesichts des vollkommen neuen Mixes aus Disco-Anleihen, elektronischen Spirenzchen, Hip-Hop-, Funk- und R&B-Elementen wird sich zwar manch ein Fan der ersten Stunde so vorkommen, als habe jemand ihm das Herz für diese Band herausgerissen. Oder als drohe dieses Herz zumindest — bereits blau angelaufen — zu kollabieren. Einerseits.
Andererseits aber kann man es auch so deuten: Das Herz der Kooks bollert wieder. Vielleicht so laut wie nie zuvor. Denn das, was sie auf „Listen“ abliefern, ist nichts anderes als die moderne Variante von Indie-Pop. Die Jugend ist vorbei. Das Leben geht jetzt so richtig los. Start in die Zukunft. Da kann man schonmal „listen“ — die Ohren aufsperren und zuhören.