Udo Jürgens: "Älterwerden ist Kopfsache"
Mit 80 startet Udo Jürgens seine neue Tournee. „Mitten im Leben“ ist auch der Titel seines neuen Albums. Es ist vielleicht nicht seine letzte Konzertreise.
Düsseldorf. Diese Hits kennt jeder: „Griechischer Wein“, „Aber bitte mit Sahne“, oder „17 Jahr, blondes Haar“. Nun wird Udo Jürgens 80 Jahre alt (30. September). Für ihn Grund genug, noch mal richtig durchzustarten. Mit einem neuen Album und einer großen Tournee (am 5. November in Köln in der Lanxess-Arena und 7. November in Oberhausen in der König-Pilsener-Arena). Ganz nach dem Motto: Lieber zu viel Tumult als zu wenig, wie Jürgens im Interview in seiner Schweizer Wahlheimat erzählt.
Herr Jürgens, als Sie 70 wurden, haben Sie Ihr „biologisches Alter“ mit „ungefähr 50“ angegeben. Wie fühlen Sie sich heute mit 80?
Udo Jürgens: Vielleicht wie 51 (schmunzelt). Also, ich merke keinen großen Unterschied, abgesehen von den typischen Wehwehchen, die man so hat, wenn man älter wird. Aber es gibt keinen Unterschied in meinem Geist. Dass die Lebensfreude verloren geht oder dass man zum Zyniker wird — wie das beim Älterwerden ja oft der Fall ist —, ist ausgeblieben bei mir. Wobei ich durchaus weiß, wie alt ich bin. Ich mache kein Geheimnis daraus und ich versuche nicht, durch alle möglichen Tricks jünger zu erscheinen.
Aber die meisten Menschen geben ihren Beruf auf, wenn sie 65 sind . . .
Jürgens: Sehr oft ist ein Beruf auch ein hartes Schicksal und viele Menschen sind froh, wenn sie das hinter sich haben. Die meisten haben ja einen Beruf, den sie sich mit 17 nicht gewünscht hatten. Ich habe als junger Mensch am Broadway hinter den Bühnentüren gestanden und die Musik gehört. Ich war unbeschreiblich glücklich und habe mir gesagt, irgendwann mache ich auch Musik, die Menschen glücklich macht. Und ich habe dieses Traumziel erreicht.
Was nervt am Älterwerden?
Jürgens: Die Verkürzung des vor einem liegenden Weges. Es wird einem irgendwann bewusst, dass jeder Tag eine Verkürzung ist. Man sieht links und rechts im Freundeskreis, die schweren Erkrankungen, die mit dem Alter begünstigt werden. Schon eine Grippe ist mit 80 lebensgefährlich. Das sind natürlich die Dinge, die einen ängstigen. Man wird vorsichtiger. Bei mir sind es, Gott sei Dank, bisher nur Wehwehchen. Das Älterwerden ist auch eine Kopfsache. Dass man sich dem im Kopf stellt und es nicht leugnet, ist ganz wichtig. Aber wenn ich auf der Bühne stehe, ist der Unterschied zu früher nicht groß. Meine Stimme funktioniert genauso gut.
Ende Oktober beginnt Ihre 25. Tournee. Werden die Fans Sie dann bei der letzten Zugabe wieder im berühmten weißen Bademantel erleben?
Jürgens: Das ist eine Tradition geworden, die man auch als Marotte bezeichnen könnte. Bei meinem ersten abendfüllenden Konzert, das war in Hamburg, gab es eine Viertelstunde lang Sprechchöre. Ich habe mir in der Kabine den Bademantel übergeworfen und bin wieder auf die Bühne. Da hat mein Manager gesagt, das war toll, das behalten wir bei. Heute ist es so, dass man von meinem Bademantel mehr spricht als von mir (schmunzelt).
Was können die Fans bei Ihrer neuen Tournee mit dem Titel des neuen Albums „Mitten im Leben“ erwarten?
Jürgens: Natürlich werden die am besten für die Bühne geeigneten Lieder des neuen Albums dabei sein. Und es werden — wie es sein muss in jedem Konzert — die großen Lieder meines Lebens dabei sein. Es wäre dem Publikum ja auch nicht zuzumuten, wenn zum Beispiel „Ich war noch niemals in New York“ nicht kommen würde. Oder „Griechischer Wein“, „Aber bitte mit Sahne“, „Mit 66 Jahren“ oder „Immer wieder geht die Sonne auf“. Viele Lieder sind Evergreens geworden. Das ist ein unglaubliches Glück, dass ich immer wieder den Puls der Zeit getroffen habe.
Da Ihre 25. Tournee „Mitten im Leben“ heißt, ist sie sicher nicht als Abschied gedacht. Haben Sie schon Zukunftspläne?
Jürgens: Ja, aber erstmal keine neue Tournee. Ich werde in mich hineinhorchen. Ich will erstmal wieder kreativ sein. Wenn das gelingt und ich der Meinung bin, dass ich etwas Neues, Interessantes geschrieben habe, dann will ich damit auch wieder auf die Bühne. Die Frage ist, ob das dann Konzertsäle sein werden. Ich träume auch davon, mal wieder in Klubs aufzutreten. Eines ist aber sicher: Es wird nie soweit kommen, dass man mich auf die Bühne tragen muss.
Was war für Sie das größte Glück im Leben?
Jürgens: Die Geburt meines ersten Kindes, meines Sohnes John. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich da nicht diesen Rausch des Glücks empfunden, wie später, als ich den Grand Prix Eurovision gewann (1966). Der jeweils größte Glücksrausch ging immer Hand in Hand mit meiner Musik. Das soll nicht mein Familienleben schmälern, ich liebe meine Kinder. Dass wir uns heute so nahe sind, ist unbezahlbarer Reichtum.
Gibt es etwas, dass Sie heute anders machen würden, wenn Sie die Chance hätten?
Jürgen: Nein, mit Sicherheit nicht. Ich weiß, dass ich vieles falsch gemacht habe. Aber man lernt im Leben ja aus Schicksalsschlägen, die einen fast umhauen. Dann wieder aufzustehen, weiter sein Ziel zu verfolgen, ist ein lehrreicher Prozess. Kunst ohne Demut, auch Unterhaltungskunst, ist keine Kunst.