Die Stimme des „Bossa Nova“: João Gilberto wird 80
Rio de Janeiro (dpa) - Für viele ist er der Vater des Bossa Nova - João Gilberto. Der scheue Brasilianer sang Lieder wie „Chega de Saudade“ und „Garota de Ipanema“, die Menschen rund um die Welt von Brasilien träumen lassen.
Der Sänger, der Brasiliens Bossa Nova die Stimme gab, verbringt seinen runden Geburtstag so zurückgezogen, wie er seit Jahrzehnten lebt - abgekapselt in seiner Wohnung im eleganten Glitzerviertel Leblon in Rio de Janeiro. An diesem Freitag (10. Juni) wird er 80 Jahre alt.
Während im ganzen Land Konzerte mit seiner Musik, Ausstellungen und andere Veranstaltungen anlässlich des Jubiläums anlaufen, bleibt der Protagonist seinem schon legendären „Eremiten“-Leben treu. Der Gitarrist und Sänger wird wohl an keinem Fest teilnehmen, um den Beginn der nächsten Lebensdekade zu feiern.
Aber er hat versprochen, in einigen Monaten auf die Bühne zurückzukommen. Zunächst am 3. September in São Paulo und dann, eine Woche später, in Rio vor einem Publikum von 2500 Gästen in einer Show, die live weltweit in über 200 Kinosäle übertragen werden soll.
Es ist mehr als ein halbes Jahrhundert her, seit Gilberto 1958 den Song „Chega de Saudade“ (Nie mehr Sehnsucht) von Antonio Carlos Jobim (Musik) und Vinícius de Moraes (Text) aufnahm und damit den Grundstein legte für das Genre Bossa Nova. In Brasilien wurde der Song viel beachtet. Doch war es einige Jahre später vor allem Gilbertos Interpretation von „Girl From Ipanema“ (Jobim/Moraes), durch die der Bossa Nova seinen Siegeszug um die Welt antrat.
Bis heute ist der am 10. Juni 1931 in Juazeiro (Bundestaat Bahia) geborene Brasilianer Mythos und Bezugspunkt für Bossa-Nova-Musiker. „João hat mir alles beigebracht. Vor allem hat er mir eine starke Idee vermittelt über die Bestimmung Brasiliens, die Aufgabe der Brasilianer, die Mission der portugiesischen Sprache. Alle meine Träume ... gewannen Substanz, als ich die Platte "Chega de Saudade" hörte“, sagt der brasilianische Liedermacher Caetano Veloso.
Der renommierte Musik-Kritiker Jon Pareles („New York Times“) hält Gilberto für den „coolsten Mann der Welt“. „Für mich und viele Amerikaner ist João Gilberto der Bossa Nova.“ In der brasilianischen Zeitung „O Globo“ umriss Pareles kürzlich das Phänomen. Gilbertos Musik verlaufe innerhalb rigoroser selbstauferlegter Grenzen.
„Er hebt die Stimme nicht. ... Er macht aus seiner Musik ein intimes Flüstern. Wenn man sich ihm nähert, um zu lauschen, überträgt dieses Flüstern ganze Lebensgefühle.“ Allerdings: Es ist es rares Privileg, dieses „Flüstern“ zu hören. Der als kauzig geltende Musiker lebt zwar mitten im pulsierenden Leben der 6-Millionen-Metropole Rio. Doch sehen lässt er sich kaum.
Seit zehn Jahren ist er mit der Produzentin Claudia Faissol liiert. Beide haben eine vierjährige Tochter. Zwar arbeitet Faissol an einem Dokumentarfilm über den Sänger, doch keiner weiß, ob das Material auch irgendwann einmal an die Öffentlichkeit kommt.
Gilberto lässt sich auch Zeit mit der Genehmigung für die Veröffentlichung eines Buches mit Artikeln und Essays über ihn. Der Verlag hatte gehofft, das Werk diesen Monat zum runden Geburtstag herauszubringen. Jetzt dürfte es wohl frühestens im zweiten Halbjahr etwas werden, wenn João Gilberto seinen Fans wieder einen seiner seltenen Auftritte gönnt.