Dresdner Sinfoniker spielen im Westjordanland
Ramallah (dpa) — Nur langsam füllt sich der große Saal des Cultural Palace in Ramallah. Gekommen sind überwiegend junge, modern gekleidete Besucher, viele internationale und lokale Studenten, aber auch Grüppchen von kopftuchtragenden Frauen.
Sie warten geduldig darauf, die ersten Töne der „Symphony for Palestine“ zu hören. Vor fast 450 Gästen beginnt schließlich das langersehnte einstündige Konzert.
Dreimal wollen die Dresdner Sinfoniker für Palästina spielen. Neben Ramallah stehen in den kommenden Tagen noch Ost-Jerusalem (1. Juni) und Dschenin (2. Juni) auf dem Plan. Zwei ehemaligen Bewohnern dieser nordpalästinensischen Stadt ist das Werk auch gewidmet — dem vor zwei Jahren ermordeten Leiter des Freedom Theatre in Dschenin, Juliano Mer-Khamis, und dem elfjährigen Ahmed Chatib, den 2005 ein israelischer Soldat erschoss, weil er die Spielzeugpistole des Jungen für echt hielt.
„Für uns steht bei diesem Projekt aber nicht die Politik im Vordergrund“, sagte Produzent Ben Deiß der Nachrichtenagentur dpa. Vielmehr gehe es darum, den Menschen vor Ort Musik zu bringen und damit Grenzen zu überwinden. Komponiert wurde „Symphony for Palestine“ von dem iranischen Komponisten Kayhan Kalhor. Unterstützt wird das 20-köpfige Orchester von fünf palästinensischen und aserbaidschanischen Musikern.
Zu ihnen gehört der 21-jährige Emil Bishara aus Nazareth, ein Ziehkind des Oud-Virtuosen Kamil Shajrawi, der ebenfalls auf der Bühne sitzt und „arabische Violine“ spielt — eine Musik, bei der einzelne Töne fließend ineinander übergehen. „Allerdings wollen wir keine Weltmusik machen. Sondern unterschiedliche musikalische Traditionen zusammenführen“, sagte der italienische Dirigent Andrea Molino auf einer Pressekonferenz in Ost-Jerusalem.
Weil die Sicherheitslage in Dschenin es 2011 nicht zuließ, wurde das Stück damals in Dresden uraufgeführt. Für Geigerin Christiane Thiele waren die neuerlichen Proben eine willkommene Abwechslung. „Orientalische Musik fühlt sich ganz anders an. Wir werden ja im Studium gedrillt, sauber zu spielen. Hier kommt immer noch ein Vibrato hinzu oder irgendwas anderes. Es wird viel mehr improvisiert.“
Wie die meisten ihrer Kollegen ist die Dresdnerin zum ersten Mal im Nahen Osten. Checkpoints entlang des Sicherheitszauns zu passieren, der Israel vom Westjordanland trennt, ließ bei manchen schmerzliche Erinnerungen an Grenzzaun und Mauer quer durch Deutschland wach werden.
Gefördert wird die einwöchige Konzerttour unter anderem von der Kulturstiftung des Bundes und der Stadt Dresden. Dank der finanziellen Unterstützung ist der Eintritt zu den Konzerten frei. Dass in Ramallah trotzdem nicht vor vollem Haus gespielt wurde, lag laut einem palästinensischen Besucher womöglich an konkurrierenden Abendveranstaltungen in der Stadt. „In Dschenin wird das nicht passieren. Da ist so etwas wie das hier einzigartig. Deshalb warten alle förmlich darauf.“
Und auch der Direktor des „El Hakawati — National Palestinian Theatre“ in Ost-Jerusalem, wo das zweite Konzert stattfinden soll, ist überzeugt: „Palästinenser hören liebend gern Musik. Alle Menschen tun das.“