"Dry The River" mit neuer CD: Alle Fragezeichen beseitigt
Das Ende einer lange Denkpause: Dry The River haben sich teilweise neu erfunden. Die Briten lassen den Folk weiter hinter sich und widmen sich opulentem, emotionsgeladenem Rock.
Düsseldorf. Auf einmal ging alles sehr schnell. Irgendwann im Frühjahr 2009 fanden sich fünf junge Männer im Osten Londons zusammen und gründeten Dry The River. Man kannte sich aus der lokalen Szene, verbrachte die Zeit an denselben Orten und teilte trotz unterschiedlicher sozialer Backgrounds ähnliche künstlerische Ansichten.
Hatten die Bandmitglieder zuvor in verschiedenen Punk-, Hardcore und Metal-Combos gespielt, so setzte man fortan gemeinsam die reduzierten, melancholischen Stücke von Sänger und Songwriter Peter Liddle um.
Immer nur laut zu sein, erschien dem Quintett auf Dauer zu langweilig. Bereits nach wenigen Monaten wurde die Band zum Stadtgespräch, es folgten eine Debüt-EP und erste Achtungserfolge in Form von Radio-Airplay bei der BBC sowie Touren im Vorprogramm von Two Door Cinema Club oder The Magic Numbers. Weiter angeschoben wurde der große Durchbruch von einem Live-Video. Zu sehen ist eine minimalistische Unplugged-Version des Songs „Bible Belt“. Der Clip verbreitete sich im Herbst 2010 viral im Netz und erntete hunderttausende Zugriffszahlen.
Besonders diese intime Performance brachte der Band Vergleiche mit Mumford & Sons ein und verortete sie bei Erscheinen ihres Debütalbums „Shallow Bed“ im Frühling 2012 in der Folk-Rock-Ecke. Eine Schublade, in der sich die Londoner nie so richtig wohl fühlten. Dieser Umstand und die damit verbundene Erwartungshaltung seitens der Musikmedien und Fans, machten die Aussicht auf ein zweites Album nicht unbedingt leichter.
Zudem spielten die fünf nahezu ununterbrochen Konzerte, was das Reflektieren der eigenen Situation weiter erschwerte. Eine Pause war dringend nötig. Abgeschiedenheit sollte die Lösung sein und so zog sich die Band Anfang 2013 nach Island zurück, um an einem neuen Album zu arbeiten. Acht Wochen müssten genügen, so der Plan.
Bald jedoch stellte sich dieses Vorhaben als zu ambitioniert heraus. Die Zeit bot nicht den nötigen Rahmen, die Ideen zu neuem Material waren zu unkonkret. Dry The River steckten mitten in einem schwerwiegenden Selbstfindungsprozess. In einem Interview mit dem Londoner Stadt-Magazin „Camden Review“ erläuterte Peter Liddle die Schwierigkeiten dieser Wochen: „Wir waren drei Jahre lang konstant auf Tour und haben bei etwa 300-400 Konzerten die selben Songs gespielt. Ich wusste überhaupt nicht mehr, wie Dry The River für mich klingen sollten.“
Doch statt sich dem Zweifel zu ergeben, nutze die Band dieses Fragezeichen für eine Neuausrichtung. „Es war eine großartige Möglichkeit, um alles in Frage zu stellen, was wir nicht mehr mochten und die Erfahrungen des Tourens in die neuen Stücke einfließen zu lassen.“ Man hört dies vor allem an den opulenten Arrangements vieler Lieder auf „Alarms In The Heart“. Diese Musiker wissen, wie es sich auf den Festivalbühnen anfühlt und wie man dort besteht. Die ruhigen Folk-Elemente des Debütalbums treten deutlich in den Hintergrund. Ein neues Selbstbewusstsein ist entstanden.
Besonders „Everlasting Light“, die zweite Single von „Alarms In The Heart“ und ein wuchtiger Mid-Tempo-Rocker, hatte einen großen Anteil daran. Auf der Homepage der Band beschreibt Sänger Liddle die Entstehung des Liedes als wichtigen Moment im weiteren Entwicklungsprozess von Dry The River. Es sei ihm vorgekommen „wie ein Pfad aus der Wildnis — ein ungewöhnlicher Moment der Klarheit, der uns daran erinnerte, wie es ist, als Band zusammen in einem Raum zu sein.“
Das Gefühl für eine gemeinsame Sache wurde wiederbelebt, und forderte gleichzeitig personelle Konsequenzen. So verließ Violinist William Harvey im Februar diesen Jahres nach längerem Nachdenken endgültig die Band, um sich anderen Projekten zu widmen. Es war klar, dass Dry The River keine Nebensache sein kann.
In weiteren Sessions in Devon und Glasgow wurden die Aufnahmen schließlich beendet und zu den zehn Stücken von „Alarms In The Heart“ zusammengefügt. Die investierte Zeit hat sich gelohnt. Das Album zeigt eine gereifte Band, die technisch im Laufe unzähliger Konzerte gewachsen und sich dieser Stärke bewusst ist. Dry The River haben mit dem schwierigen Zweitwerk zu sich gefunden.