Neues Album Mit Kreidler durch den Hallraum der Gegenwart
Die Düsseldorfer Band Kreidler lebt auf „Twists (A Visitor Arrives)“ ihren Groove aus.
Kreidler veröffentlichen eine neue Platte, und das ist etwas Besonderes, denn die laut dem britischen Musik-Versandhaus Boomkat nach Kraftwerk „zweitbekannteste Band Düsseldorfs“ sorgt noch immer für den Rhythmus, in dem das musikalische Herz dieser Stadt schlägt. „Twists (A Visitor Arrives)“ heißt das Album, und das Erste, was auffällt, ist: Kreidler haben es als Trio eingespielt. Detlef Weinrich verließ Andreas Reihse, Alex Paulick und Thomas Klein, um mehr Zeit für sein Soloprojekt Tolouse Low Trax zu haben. „Vielleicht werden wir mal wieder zusammenfinden“, stellt Thomas Klein gleich mal in Aussicht: „Detlef ist ja immer ein wichtiger Teil von Kreidler gewesen.“
Trotz des Abgangs hört man direkt, dass „Twists“ ein Kreidler-Album ist. Da ist diese Drift, da sind das Treibende und Drängende – stark ausgeprägt zum Beispiel in „Hopscotch“. Da sind dunkel schimmernde Stücke wie „Diver“, vor dessen Hintergrund immer wieder Melodiefragmente aufsteigen und verglühen. In „Tanger Telex“ machen sie Jazz, Timuçin Dündar spielt Saxophon, und das ist so einnehmend, dass man sich fragt, warum das Stück nach viereinhalb Minuten endet.
Es gibt zwei Kompositionen mit Gästen, die Vocals beisteuern. „I am lost“, singt Khan of Finland in „Loisaida Sisters“. Und in dem tollen, scheinbar frei schwebenden, vom Klang der Becken zum Vibrieren gebrachten „Hands“ hört man Natalie Beridze sprechen. Der Wind scheint durch die Maschinen zu gehen, das wirkt beschwörend, auf unheimliche Art beruhigend. Durch alle Tracks zieht sich Melancholie, die nichts Schwermütiges hat, sondern Erhebendes, ein gesteigertes Gegenwartsbewusstsein.
Seit 30 Jahren gibt es
diese Band inzwischen
„Die Stücke entstehen zumeist in einem Fluss, damit der Grundvibe nicht verloren geht“, sagt Klein. Die treibenden Kräfte seien die in Berlin lebenden Andreas Reihse und Alex Paulick, sie pochten immerzu auf das nächste Treffen in Düsseldorf, und „Twists“ habe man „in zwei, drei Tagen“ aufgenommen. Das erste Stück, „Polaris“, ist für Klein übrigens eine innerfamiliäre Zusammenarbeit. Sein 18 Jahre alter Sohn Maxim Bosch, der schon früher immer mal wieder im Probenraum zu Gast war, spielt Posaune.
Seit 30 Jahren gibt es diese Band nun, und das Schöne ist, dass sie nie egal war, sondern dass sie das Publikum weiterhin anregt, im besten Sinne nervös macht. Sie hat ihren eigenen Kosmos geschaffen, in dem das Suchen als größtes Gut gilt, das gemeinsame Suchen, Forschen, Erkunden. Kreidler steht nie still, vielleicht kann man es so am besten sagen, und das Stück auf „Twists“, das dieses Prinzip am besten zum Ausdruck bringt, ist das vorletzte. „Mount Mason“ tanzt durch einen weiten Hallraum, es zieht allmählich vorüber, verändert Farbe und Stimmung. Nach fast vier Minuten macht es sich Gedanken über die eigene Existenz, verharrt kurz, geht weiter, aber auf Zehenspitzen.
Wer sich in ein Stück von Kreidler versenkt, kann nie sicher sein, wo man wohl rauskommen wird. Zum Glück gibt es den Rhythmus, dem man sich anvertrauen kann.