Menschen des Jahres Volker Bertelmann – der Oscar-Gewinner aus Düsseldorf

Düsseldorf · Was macht man, wenn man auf dem Musikolymp angekommen ist? Volker Bertelmann alias Hauschka veröffentlicht nach seinem Hollywood-Erfolg ein neues Album.

Volker Bertelmann bei der Oskar-Verleihung.

Foto: dpa/Gerald Matzka

Vor sechs Jahren ist Volker Bertelmann das erste Mal für den Oscar nominiert gewesen; mit seinem Kollegen Dustin O’Halloran hatte er die Musik zu „Lion – Der lange Weg nach Hause“ komponiert. In Interviews sprach der Anwärter auf den größten Preis, den man in seinem Beruf gewinnen kann, damals einen Satz, der viel aussagt über seine Persönlichkeit: „Ich bin kein Filmkomponist.“ Bertelmann wollte damit seinen Respekt vor Menschen zum Ausdruck bringen, die schon lange Soundtracks komponieren. Er als jemand, der relativ neu war in dem Metier, mochte sich noch nicht dazu zählen.

Bescheiden ist der 57-Jährige immer noch, ansonsten hat sich seither viel getan, und er selbst würde nun wohl nicht mehr den Kopf schütteln, wenn man ihn fragte, ob man ihn als Filmkomponist bezeichnen dürfe. Im März wurde Bertelmann mit dem Oscar ausgezeichnet. Er bekam ihn für die Musik zu „Im Westen nichts Neues“, der unter der Regie von Edward Berger entstand.

Neues Album erscheint unter Künstlernamen Hauschka

Was macht man nach dem Aufstieg in den Olymp anders? Im Falle von Volker Bertelmann: nichts. Er arbeitet weiter jeden Tag ab 7.30 Uhr in seinem Studio in Düsseldorf. „Insgesamt sind eher andere Tätigkeiten hinzugekommen, und ich muss mich nicht mehr so oft erklären, dass ich in der Lage bin, Musik für einen Film zu komponieren. Aber auch das kommt noch immer vor“, sagt er. „Was sich noch geändert hat, ist, dass ich öfter gefragt werde, in einer Jury zu sitzen oder auch sonst an gesellschaftlichen Aufgaben teilzunehmen.“

Und weil jemandem, der es nie darauf angelegt hat, in der Öffentlichkeit zu stehen, so viel Bohei um seine Person sicher nicht behagt, ist seine erste Veröffentlichung nach dem Triumph ein neues Album unter seinem Künstlernamen Hauschka. Als Hauschka war Bertelmann ursprünglich bekannt geworden, unter diesem Namen veröffentlicht er seit Beginn der 2000er-Jahre Alben mit instrumentaler Klaviermusik. 2005 gab er seiner zweiten Platte den programmatischen Titel „The Prepared Piano“. Er legt Papier, Radiergummis oder Kronkorken auf die Saiten, umhüllt den Filz der Hämmer mit Alufolie und schöpft auf diese Weise wie ein Forscher die Klangmöglichkeiten des Instruments aus. Hauschka schafft Minimal Music mit maximaler Wirkung.

Seine neue Platte heißt nun „Philanthropy“. „Als ich über den Titel nachgedacht habe, dachte ich, das ist jetzt eine Zeit, in der man schwer beladen ist vom Zustand der Welt: die Pandemie, der Krieg in der Ukraine“, sagt Bertelmann, „ich hatte das Gefühl, dass ich eine Platte machen möchte, die das Gegenteil ausdrückt.“ Philanthropie, menschenfreundliches Denken und Handeln, liegt ihm am Herzen: „Ohne menschliche Zuwendung und Achtsamkeit füreinander kommen wir nicht weiter. Das ist die Energie, aus der man Veränderungen hervorbringen kann.“

„Philanthropy“ ist ein körperwarmes Album mit Tiefe, es hat etwas Reinigendes, Umarmendes. Es hat Groove. Und Dancefloor-Potenzial. Man erkennt den klassischen Hauschka-Sound, obwohl so viel Neues darin steckt. Bertelmann war der elektronischen Musik immer stark verbunden, hat dem Club „Salon des Amateurs“ in seiner Heimatstadt Düsseldorf ein Album gewidmet, einzelne Titel daraus von Techno-Größen wie Ricardo Villalobos remixen lassen. Die zwölf neuen Stücke markieren nun seine Rückkehr in den Club.

Viele Stücke auf „Philanthropy“ zeichnen sich durch ihre Techno- und House-Ästhetik aus. „Sie bestehen meist aus einem treibenden oder repetitiven Element, das aber auch langsam sein kann“, sagt Bertelmann: „Ich glaube, dass meine Stücke aufgeräumter werden. Früher wusste ich mitunter nicht so genau, in welche Richtung sie gehen sollen. Und dadurch waren sie manchmal zu voll. Jetzt haben sie eine klarere Orientierung.“

Und wie trennt er seine beiden Künstlerpersönlichkeiten? „Was ich eigenständig ohne Vorgabe machen kann, wo ich also mein eigener Kurator bin, das ist Hauschka. Wo ich Aufträge erfüllen muss, was also zweckgebunden ist an Inhalte, das möchte ich auslagern.“

Die nächsten Projekte laufen bereits. „Ein Film heißt ,Conclave‘“, sagt Bertelmann, „das ist der nächste Film von Edward Berger.“