Element Of Club - große Band auf kleiner Bühne
Berlin (dpa) - Eine große Band macht sich klein: Element Of Crime, die in Ehren ergraute, sympathische Melancholiker-Combo um den begnadeten (Song-)Poeten Sven Regener, beglückt die Fans mit einer Konzertreihe in kleinen bis mittleren Clubs.
„Wir riskier'n jetzt mal was“, sagt Regener grienend nach wenigen Minuten des ersten von insgesamt sechs Gigs im proppevollen Berliner Lido. „Wir spielen unseren größten Hit gleich am Anfang.“ Und los geht's mit „Delmenhorst“, der folkrockig schlurfenden Hymne auf das entspannte Leben in der Kleinstadt.
„Hinter Huchting ist ein Graben/in den sich einer übergibt/und dann kommt gleich Getränke Hoffmann/sag' Bescheid, wenn du mich liebst“, raspelt norddeutsch-schnoddrig der Sänger, Gitarrist und Trompeter, dessen Romane aus der „Herr Lehmann“-Reihe den Erfolg seiner Platten mit Element Of Crime längst übertreffen.
Dabei weiß auch diese seit 1985 bestehende, unverwechselbare Band inzwischen eine riesige und vor allem treue Anhängerschar hinter sich. Nur so ist zu erklären, dass die seit Mitte März laufenden 21 Konzerte in Frankfurt/Main (Batschkapp), Köln (Gloria), München (Freiheiz), Hamburg (Fabrik) und Berlin (Lido) restlos ausverkauft sind - obwohl dieses Jahr gar kein neues Album zu vermarkten ist.
Die Fans lieben ihre „Elements“, die mit dieser Tournee (das lustig knirschende Reim-Motto: „Wir hängen tagsüber ab und spielen abends im Club“) bewusst zurück zu den Wurzeln wollen. Denn dort, aus den kleinen Kaschemmen, kommen Element Of Crime ja her.
Das begann Mitte der 80er Jahre mit düster scheppernden Songs im Stil von Velvet Underground, die Regener noch auf Englisch präsentierte (denen man die deutsche Herkunft des Sängers freilich unleugbar anhörte). Mit dem Richtungswechsel zum fantasievoll instrumentierten, oft bittersüß-chansonesken Folkpop und zu meisterhaften deutschen Texten kam 1991 der Erfolg. Inzwischen landen Alben von Element Of Crime regelmäßig in den Top Ten der deutschen Charts, die Band ist längst in den Feuilletons angekommen.
Beim Berliner Lido-Konzert lassen Regener und seine vier Mitstreiter Jakob Ilja (E-Gitarre), David Young (Bass), Richard Pappik (Schlagzeug) und Christian Komorowski (Geige) alle Phasen ihrer Karriere an sich und den Zuhörern vorbeiziehen. Die rauen Songs der frühen Postpunk-Platten sind ihnen offenkundig immer noch lieb und teuer, und das nach kurzer Anwärmzeit zunehmend euphorisierte Publikum honoriert diese herrlich altmodische Repertoire-Pflege.
Bei „No Hope“ werden die Fans faszinierte Zeugen der Tom-Waits-Werdung Regeners. Auch Lieder der tragischen Sixties-Ikone Alexandra („Zwei Gitarren“), der frühen Bee Gees („I Started A Joke“) oder von Brecht/Weill („Surabaya Johnny“) interpretieren Element Of Crime in ihrem ganz eigenen Stil: etwas abgerissen und windschief, mit spürbarer Liebe zu jedem einzelnen Song, ob ein eigener oder ein geliehener.
Am schönsten gelingt dies natürlich bei den grandiosen Deutschpop-Liedern der vergangenen 20 Jahre, etwa dem tieftraurigen „Weißes Papier“ oder der herrlichen Kiez-Geschichte „Straßenbahn des Todes“. Sven Regeners Humor ist mit lakonisch nur unzureichend beschrieben, man könnte ihn auch „furztrocken“ nennen. Im Lido, auf kleiner Bühne vor einigen hundert Fans, wirkt er gelöst wie selten, genießt spürbar die Begeisterung des Element-Freundeskreises.
Und er ist gut bei Stimme - Wortspiele wie „Wo die Neurosen wuchern, will ich Landschaftsgärtner sein“ kommen bei glasklarem Sound bestens rüber. Die Band hinter Regener ist sowieso über jeden Zweifel erhaben - eine perfekt eingespielte, verschworene Truppe mit dem formidablen Gitarristen Jakob Ilja an der Spitze.
In einem von fünf Zugabe-Blöcken kündigt Regener schließlich „ein politisch, ja wirtschaftspolitisch relevantes Lied“ an: „Bring den Vorschlaghammer mit“, der Lobgesang aufs befreiende Zertrümmern von „altem Schrott“, ist ein schwungvoller Rausschmeißer. Beim Verlassen des Lido blickt man nach zwei Stunden in viele glückliche Gesichter. Element Of Crime und ihre Fan-Basis - mehr Harmonie geht nicht.