Howie macht keine Kompromisse
Hamburg (dpa) - Howard Carpendale mag keinen Stillstand. 34 Studioalben hat er in den vergangenen 46 Jahren veröffentlicht, seit seinem Comeback 2007 hat er jedes zweite Jahr im Studio gestanden. Den Takt behält der 69 Jahre alte Schmusesänger bei: An diesem Freitag (6.
März) erscheint „Das ist unsere Zeit“.
Der Sänger sitzt in einem Ledersessel in einem Hamburger Hotel, die blonden Haare sind gefönt, das Gesicht gebräunt und er ist gut gelaunt. Unzählige Interviews hat der 69-Jährige in den vergangenen Tagen gegeben und über seine Arbeit gesprochen - nach über 40 Jahren im Showgeschäft Routine. „Das ist beruflich die schönste Zeit, die ich bislang hatte“, sagt er. Das passt natürlich perfekt zum Albumtitel.
Es hat sich tatsächlich viel verändert, seitdem Carpendale 2007 aus dem musikalischen Ruhestand zurückkehrte, um noch einmal etwas anders zu machen. „Ich verstehe Künstler nicht, die 20 oder 30 Jahre lang dasselbe singen“, sagt er. Um den eigenen Stillstand zu verhindern, trennte er sich daraufhin in einem radikalen Schritt von langjährigen Mitarbeitern, baute ein neues Team auf.
Dazu gehört für ihn, keine Kompromisse mehr zu machen. Ihm gehe es dabei nicht um kommerziellen Erfolg oder Geld, sagt er. „Ich will zufrieden sein mit dem, was ich mache.“ Mit dem Ergebnis ist er überaus zufrieden: „Es gibt kein Wort darin, was mich stört“.
Für das neue Album lud er zum Songwritercamp ein, diskutierte Zeilen, Texte und Musik mit jungen Künstlern. Herausgekommen ist keine große musikalische Überraschung, aber ein gelungener Stilmix aus Schmusesongs, Elektrotönen und Gitarrensoli.
Die erste Single-Auskopplung, „Worauf warten wir“, klingt nach Countrymusik und passt zum Zeit-Thema des Albums. In dem dazugehörigen Video wird ein junges verliebtes Paar vom Rhythmus der schnellen Gitarre angetrieben. Der Sänger übernimmt den Part des Fürsprechers, wie er es nennt. Nicht die Hauptrolle, aber eine, die ihm zunehmend gefällt. „Ich habe lange gebraucht, erwachsen zu werden“, sagt er. Carpendale gibt sich unbekümmert, lebensfroh - und erinnert an den Wert der Zeit. „Wenn ich das mit zwanzig gewusst hätte, hätte ich versucht, meine Zeit viel bewusster zu gestalten“, sagt er.
Rückblicke indes verabscheut er - musikalisch und privat. „An einem langen Tisch sitzen und über die alten Zeiten sprechen, das langweilt mich zu Tode.“ Doch es gibt ruhigere und nachdenkliche Töne auf „Das ist unsere Zeit“. In „Stadtmix“ stellt er fest, „soviel von früher ist heute nicht mehr da“ und fragt: „Hat hier Menschlichkeit und Liebe noch irgendwo Platz?“. Das ist nicht pessimistisch gemeint, sondern rückt den schönen, aber vergangenen Moment in den Mittelpunkt.
Bei den Covertiteln entschieden die Fans. Zu denen pflegt er auf Facebook beinahe täglich Kontakt, lässt sie vorab neue Lieder hören und fragt nach Meinungen. So singt Carpendale auf der Deluxe-Version des Albums eine A-cappella-Version von „In the Ghetto“, den Bee Gees-Hit „You win again“ und „Say You, say me“ von Lionel Ritchie. Gefolgt von Clubversionen seiner Lieder „Hello Again“ und „Samstag Nacht“.
Im Herbst geht es für den 69-Jährigen mit seinem neuen Programm auf Tour, auch das ist Routine. Für Lampenfieber sorgen 15 andere Termine: „Ich war noch nie in einem Club, aber ich muss da bald hin“. Eigentlich sei das nicht seine Art, Leute zu begeistern. Wie er sich darauf vorbereitet? „Ich versuche viel zu schlafen“, sagt Carpendale und grinst. „Vielleicht wird es ja der Hammer“.