Interview: „Das ist das, was ich will“

Der Sänger Max Raabe spricht über seine neuen melancholischen Lieder und abenteuerliche Erlebnisse auf dem Surfbrett.

Der Sänger Max Raabe kommt vielen wie eine Kunstfigur vor - wollten Sie mit dem Album "Übers Meer" einmal ganz anders wahrgenommen werden?

Raabe: Das wäre sehr kalkuliert - nein, es war mehr der Gedanke, einmal ein Soloalbum zu machen. Als ich dann nach Titeln gesucht habe, ergab es sich, dass die alle einen bestimmten Charakter hatten - gar nicht ulkig, sondern eher melancholisch.

Diese ganz intimen und stillen Momente besonders hervorzuheben, dafür eignet sich solch ein Solo-Projekt ideal - und so ist diese Platte tatsächlich frei von Ironie und Sarkasmus, die ich sonst so schätze.

Raabe: Ich bin ein totaler Gucker - selbst wenn wir mit dem Tourbus an einer Raststätte eine halbe Stunde Pause machen. Autobahnen verschandeln ja die herrlichsten Landschaften, das heißt, wenn ich die Raststätte verlasse, stehe ich in der herrlichsten Natur, gucke über wunderbare Täler und bestellte Äcker. Solche Möglichkeiten habe ich immer bei jeder Gelegenheit wahrgenommen.

Raabe: Den Menschen müssen Sie mir zeigen, der es nicht liebte, das Meer zu beobachten, das Auf und Ab der Wellen, die Wolken und die Farben - das ist unglaublich faszinierend! Ich bin als Kind jedes Jahr von meinen Eltern für ein paar Wochen in die Jugendherberge nach Sylt geschickt worden.

Das war immer ganz toll. Als Teenager bin ich oft nachts aus dem Fenster geklettert, habe mich in die Wahnsinns-Brandung gestürzt und gequietscht vor Angst und Vergnügen.

Raabe: Ich war vor einigen Jahren im Meerkabarett auf Sylt und habe erlebt, wie die direkt an der Uferpromenade ihre Surfzöglinge ausbilden. Also habe ich mich da auch angemeldet, einen Gummianzug angezogen, anderthalb Stunden mit dem Brett gekämpft - und dann stand ich drauf. Mir gefällt die minimalistische Idee, nur mit so einem Bügelbrett in diesem riesigen Meer zu stehen.

Raabe: Oh doch, aber es ist zugleich auch faszinierend. Ich bin kurz darauf auf einer griechischen Insel gewesen, und gleich am ersten Tag blies ein irrer Wind. Ich bin hinaus gedonnert und dachte, das klappt ja super - bis ich das Ortseingangsschild der nächsten Insel sah.

Da war es zu spät, denn wegen des starken Windes kam ich nicht zurück. Wenn man das Segel nicht mehr halten kann, wird einem schon klar, dass man eigentlich auf einem sehr gefährlichen Element unterwegs ist. Ich bin aber letztlich doch zurückgekommen.

Raabe (lacht): Das hört sich so dramatisch an. Ja, das war blöd, aber ich bin gleich am nächsten Tag wieder aufs Wasser, allerdings sehr dicht am Ufer entlang. Aber wenn man vom Pferd fällt, muss man auch wieder drauf.

Raabe: Diese ganzen Umstände der Reiserei, die Sicherheitskontrollen am Flughafen und dann noch schlechtes Wetter: Das ist schon furchtbar, wenn man jeden Tag woanders hin muss. Aber wenn um 20 Uhr das Licht angeht und ich auf die Bühne gehe, dann bin ich angekommen und weiß: Das ist das, was ich will.

Raabe: Ja, ich warte nicht darauf, in Rente zu gehen, um dann endlich das Leben genießen zu können, sondern ich genieße es wirklich jeden Tag. Deswegen breche ich auch immer wieder aus dem ganzen Trott aus - und sei es auch nur auf der Raststätte, wo ich mit einem Becher Kaffee in der Hand durch den Wald laufe.