Interview mit Stefan Gwildis: Ohne Strohhalm geht’s nicht

Stefan Gwildis hat einen langen Weg hinter sich. Mit seinen deutschen Übersetzungen von Soul-Klassikern ist er endlich erfolgreich.

<strong>Düsseldorf. Manchmal belohnt das Leben spät, doch umso nachhaltiger. Gerade, wenn man Nackenschlägen zum Trotz am Ball bleibt und Beharrlichkeit aufweist. Stefan Gwildis (48) kann davon so manches Liedchen trällern - hat er doch in seinem Leben viel erlebt: vom Reifenhändler über den Insider-Tipp bis zum Teilnehmer beim Eurovisions-Vorentscheid, wo er 2005 mit seiner Liebeserklärung an seine norddeutsche Heimat "Wunderschönes Grau" Platz vier belegte. Als der Hamburger Soul-Klassiker mit deutschen Texten versah, wurde er schlagartig über die Grenzen Hamburgs hinaus berühmt. Im Januar erschien sein neues Album "Heut ist der Tag", wo neben Coverversionen überwiegend Eigenkompositionen zu hören sind. Am 23. April stellt er seine Lieder im Düsseldorfer Savoy Theater vor. Herr Gwildis, warum mögen Sie das Grau so?Gwildis: Das schöne Grau ist blickdicht und verdeckt das Blau. Und da liegt der Hase im Pfeffer: In dem Moment, wo ich mir das Blau nur vorstelle, ist es noch viel blauer, als es je wirklich blau sein könnte. Und das ist das Schöne an dem Grau. Blau kann jeder. Das beschreibt auch den Tonfall ihrer neuen Lieder ganz gut, in denen Sie zwar meist aus einer problematischen Situation kommen, aber immer optimistisch klingen.Gwildis: Ja, genau. Ich will nicht, dass es ganz hoffnungslos ist. Es muss schon mindestens einen Strohhalm geben. Wie schwer fällt es Ihnen, den Strohhalm in so einem schweren Moment zu sehen?Gwildis: Schon schwer. Wenn man grad so richtig im Sumpf steckt, dann braucht es schon die Hilfe von außen. Die muss man aber auch wahrnehmen und annehmen können. In dem Song "Ich bin da / Lean on me", mein Duett mit Laith Al Deen, ist es auch so, dass jemand da ist, der helfen möchte. Nur den letzten Schritt, die Hand zu ergreifen, den muss man schon selbst gehen. Kann Ihnen Musik in einem schweren Moment auch Trost spenden?Gwildis: Auf jeden Fall! Musik ist ja die Sprache, die da weiter macht, wo unser Gegrunze aufhört. Diese Schwingungen wahrzunehmen, ist wirklich das größte Geschenk. An welche Musik denken Sie?Gwildis: Nehmen sie "Mr. Bojangles" von Sammy Davis Jr., als ich das zum ersten Mal als Kind gehört habe - das war unglaublich, diese Beseeltheit! Da muss man nicht die Worte verstehen oder die Professionalität der Musik, das berührt einfach. Welche Einflüsse finden sich in Ihrer Musik?Gwildis: Was ich immer großartig fand, sind alles Soul-Leute wie Bill Withers, Billy Paul, Marvin Gaye, Chet Baker. Sammy Davis ist ein ganz wichtiger Einfluss auch in der Art wie er Stücke angeht, verlangsamt, dann wieder zügig wird - das ganze Timing. Alles Klassiker. Gibt es auch aktuelle Musik, die Sie prägt?Gwildis: Neulich hörte ich ein Duo namens "Fiarill", eine Schwedin und eine Südafrikanerin. Die haben mich unglaublich begeistert. Eine ganz neue Gangart. Oder Amy Winehouse, von der ich dachte, das ist ja eine geile schwarze Stimme. Fehler. Die Dame ist weiß und kommt aus England. Aber ich bin jetzt 48, habe die ganzen Zuckungen der 60er und 70er Jahre mitbekommen und bin da auch geschichtlich sehr verhaftet. Wie muss man sich das Herangehen an einen Coversong vorstellen?Gwildis: Meist übersetze ich die Texte nicht, sondern höre die Musik und versuche, die Stimmung aufzusaugen und fand es interessant zu sehen, wo mich das hinführt. Und waren Ihre Texte dann nah dran am Original?Gwildis: Mal nah dran, mal weit weg, aber oft die gleiche Richtung. Da, wo es auseinanderlag, fand ich meinen Text einen Tick besser. Bei allen Covers haben wir später geschaut, aus welcher Zeit stammt es, aus welchem Umfeld, wo fand das statt und das dann in die heutige Zeit übersetzt. Bei "Papa was a rolling Stone" fragt ein schwarzes Kind in Amerika: Mama, erzähl doch mal was über Papa. Hier fragt ein Junge, der in den neuen Bundesländern lebt, ob sein Vater wirklich ein Stasi war. Die Frage ist die gleiche, aber das soziale Umfeld anders. Wie gewagt ist es, die eigenen Songs neben erfolgreichen Klassikern zu platzieren?Gwildis: Es ist sicher gewagt. Deswegen sind wir auch so gespannt, wie es ankommt. Musikalisch arbeiten wir mit dem gleichen Besteck, so dass es verwandt klingt.

Stefan Gwildis

Geboren 1958 als Sohn eines Reifenhändlers und einer Hutmacherin in Hamburg. 1979 am Thalia-Theater in Hamburg Ausbildung in Fecht- und Stuntszenen.

Nebenjobs LKW-Fahrer, Hilfsarbeiter, Straßenmusiker und Sonnenbankaufsteller.

Erstes Album 2003 kam die Neubearbeitung von Soul-Klassikern "Neues Spiel" heraus. Es folgten Fernseh- und Konzertauftritte. Das Album hielt sich 13 Wochen in den Albumcharts, Gwildis erhielt als "Aufsteiger des Jahres" die Goldene Stimmgabel.

TV Im Radio Bremen-Beitrag "Schwelbrand" der Reihe "Tatort" gab er im Januar 2007 sein Schauspiel-Debüt in einer kleinen Nebenrolle als Musiker gegen Rechts.