Tanja Oberloher alias Michelle: Schön, stark und sehr zerbrechlich

Extreme Höhen und Tiefen gehören zum Leben der Schlagersängerin Michelle. Derzeit erholt sich die 35-Jährige von einem Schwächeanfall.

Düsseldorf. Der Schirm ihrer Mütze ist tief ins Gesicht gezogen. Was eigentlich kess aussehen soll, wirkt eher wie ein Schutzwall. Sie ist klein und zierlich und trägt Weiß. Die Welt meint es nicht gut mit ihr.

Alles sollte besser werden, wieder einmal. Sie hatte sich so viel vorgenommen. Die "Glas"-Tournee 2007 sollte das große Comeback werden. "Michelle ist wieder da", "Michelle begeistert in ausverkauften Hallen". So oder so ähnlich sollten die Schlagzeilen für die Schlagersängerin Michelle wohl lauten.

Aber Tanja Oberloher konnte nicht mehr. Schwächeanfall beim Auftritt in Erfurt. Erst hieß es, der zweite Teil der Tournee solle planmäßig ablaufen, dann wurde die Tour ganz abgesagt. Aufgrund eines ärztlichen Attests, wie es auf ihrer Homepage heißt.

Wann und ob die Tour fortgesetzt wird, steht noch in den Sternen. "Sobald wir Genaueres wissen, werden wir Sie sofort darüber informieren", teilt das Management mit. Michelle indes schickt ihren Fans "die allerliebsten Grüße" und entschuldigt sich vielmals für den Tourneeabbruch.

Tanja Oberloher schweigt. Tanja Oberloher, das ist Michelle, wenn sie nicht auf der Bühne steht, wenn keine Scheinwerfer blenden. Michelle spricht nicht über Tanja Oberloher. Fragen nach ihrem Privatleben lehnt sie konsequent ab. Nur als Michelle ist sie öffentlich. Gehört sie uns allen, ist sie "unsere Schlagerprinzessin".

In zehn Jahren etablierte sie sich, die heute 35-Jährige, als eine der erfolgreichsten Sängerinnen Deutschlands. Sie stürmte die Hitparaden, sammelte Goldene Schallplatten wie andere Mädchen Muscheln am Strand.

Die zarte Blondine, geboren am 15. Februar 1972 im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen, ist aus dem Stoff gemacht, aus dem man Märchen webt. Ihres ist das eines modernen Aschenbrödels.

Stattdessen singt sie in einer Band, die Tanzmusik macht: "Ganz normale Unterhaltungsmusik war das, wir haben alles Mögliche gecovert, querbeet." Und entdeckt dabei: "Ich habe eine andere Stimme als andere."

Als sie mit 18 ihren ersten Auftritt beim Südwestfunk hat, fällt dieses Anders-Klingen auch Schlagersängerin Kristina Bach auf. Sie protegiert das Naturtalent, schreibt den Text für Tanjas erste Single "Und heut’ Nacht will ich tanzen" (1993), die Komponist Jean Frankfurter für sie produziert.

Für den Auftritt in der Hitparade will ihr der Direktor der Berufsfachschule, die sie besucht, um den Realschulabschluss nachzumachen, nicht frei geben. "Du gehst nur dann, wenn ich es will", sagt er. "Ich muss aber", antwortet sie. "Nein, du wirst nicht gehen", sagt er. Sie geht.

Ende der schulischen Karriere. Anfang des künstlerischen Senkrechtstarts. Im Mai 2001 ist sie auf dem Zenit. Vertritt Deutschland mit "Wer Liebe lebt" beim "Eurovision Song Contest", belegt einen respektablen achten Platz.

Im Kollegen Matthias Reim hat die Schlagerprinzessin ihren Schlagerprinzen gefunden, die Geburt von Tochter Marie-Louise besiegelt die Liebe. Jetzt noch eine Traumhochzeit - und wenn sie nicht gestorben sind . . .

Hier endet das Märchen. Nicht ganz. Es gibt eine Fortsetzung. Eine böse: Aschenbrödels Abstieg. Wenn die Medien über gesundheitliche Probleme berichten, über Depressionen und einen Selbstmordversuch, schwingt scheinbar Besorgnis mit. Die in offene Häme umschlägt, als die Beziehung zu Reim zerbricht, als es finanzielle Probleme gibt und das Karriere-Ende droht.

"Michelle ist pleite", "Michelle macht Hundesalon auf", "Villa zwangsversteigert" - so titeln die Boulevard-Blätter.

Als sie für den "Playboy" posiert, tut sie das nicht als Michelle, sondern als Tanja Thomas - eine Kunstfigur, die Disco-Hits der 1970er covert: "Ich hatte schon vorher Anfragen deswegen, aber ich habe gefühlt, das passt nicht. Da hat es supergut gepasst. Das war das schönste Shooting, das ich je hatte."