Isländische Band Avantgarde: E-Gitarren und ein Cello-Bogen

Europas seltsamste Band gibt’s nun auch als Film: Die Musikdokumentation „Heima“ zeigt Sigur Ros vor heimatlicher Kulisse – der Atlantikinsel Island.

<strong>Düsseldorf. In Island ticken die Uhren anders: Nordische Sagen scheinen nicht nur die Menschen, sondern auch die Landschaft zu prägen. Ein Mythos besagt, dass Odins Pferd Sleipnir, ein gigantisches fliegendes Ross mit acht Beinen, im Norden der Insel gelandet sei und einen riesigen Abdruck hinterlassen habe. Heute heißt die daraus entstandene hufeisenförmige Schlucht Ásbyrgi, ist Teil eines mächtigen Nationalparks mit bizarren Vulkanbergen, einem malerischen Flussufer und dem stärksten Wasserfall Europas. Ásbyrgi ist gleichsam einer der atemberaubenden Schauplätze der Musikdokumentation "Heima" (dt.: Zuhause), die die isländische Band Sigur Ros zusammen mit Regisseur Dean DeBlois (Disneys "Lilo & Stitch") gedreht hat. "Heima" ist die Liebeserklärung an den kühlen Landfleck im Nordatlantik, der Insel der Wunder und Mysterien. Wo es im Sommer schneit und der Sonnenuntergang nach Mitternacht liegt, herrscht auch ein eigensinniges Empfinden für Musik. Als sich Sigur Ros zum Abschluss ihrer 14-monatigen Welttournee im vergangenen Sommer entschlossen, für zwei Wochen über ihre Heimatinsel zu touren, wollten zehn Prozent der knapp 300000 Einwohner zählenden Bevölkerung die Heimkehrer live begrüßen. Die Konzerte fanden an den ungewöhnlichsten Orten statt, mitten in der Wildnis wie in leerstehenden Industriebarracken. Was die Fans zu hören bekamen, war ein Set aus ihren sämtlichen Alben, bislang vier an der Zahl.

Schwereloser Falsettgesang im Schwimmbadstudio

Richtig los ging die Karriere von Sigur Ros 1997 mit der Veröffentlichung des Debüts "Von" (dt.: Hoffnung). Der märchenhafte Klang, die ausgefallene Art Instrumente einzusetzen, Musik als etwas Mystisches zu zelebrieren, machte sie über Islands Küste hinweg bekannt. Sigur Ros sind einfach anders, und Jón Birgisson, Sänger der vierköpfigen Band, trägt viel dazu bei. Sein schwereloser Falsettgesang und die mit dem Cello-Bogen gespielte E-Gitarre klingen so charakteristisch, dass niemand sich auch nur wagen würde, dieses betörende Element zu kopieren. Ausgefallene Ideen wie die Einrichtung eines Studios in einer zuvor als Schwimmbad dienenden Halle, geben ihrem Sound die besondere Note. Wenn Sigur Ros etwas anfassen, dann auf ihre Weise. Für das Tanzspiel "Split Sides" von Tänzer und Choreograf Merce Cunningham beispielsweise improvisierte das Quartett bei zwei Vorführungen und fing die Erinnerung daran mit Klavier, Streichern und Samples auf der EP "Ba Ba Ti Ki Di Do” ein.

Klänge wie aus einer anderen Welt, zu denen auch Birgissons Vater beigetragen hat: "Er hat uns eine Vorrichtung geschweißt, an die wir acht Mikros - verpackt in Ballettschuhen - hingen, die wir wie Percussions spielten." Kreativer Einfallsreichtum dieser Art ist keine Seltenheit bei Sigur Ros. Das wissen die Hörer zu schätzen, wie auf "Heima" zu sehen ist.

Highlights: An dritter Stelle von "Hvarf" steht mit "I Ger" ein neuer Song: In sechseinhalb Minuten brechen aus zarten Glockenspielen Gitarren-Geysire aus. Den Abschluss von "Heim" macht die Akustikversion von "Von".