Japaner rocken gegen die Atomkraft
Tokio (dpa) - Die Atomkatastrophe in Fukushima vor einem halben Jahr hinterlässt auch in der Musik ihre Spuren: Rapper und Rocker, Jungmusiker und etablierte Künstler warnen in ihren aktuellen Titeln vor den Gefahren der Atomkraft in Japan.
Doch trotz der beinahe täglichen Meldungen über verstrahlte Lebensmittel und neuer Enthüllungen über Probleme an der Atomruine ist die Bewegung noch eine Randerscheinung.
Der bekannte Rockmusiker Kazuyoshi Saito prangert den von der Regierung und den Energiekonzernen verbreiteten Mythos von der sicheren Atomkraft an. Dafür schrieb er seinen in Werbespots der japanischen Kosmetikfirma „Shiseido“ verwendeten Hit „Ich habe Dich immer geliebt“ um - nun lautet der Titel: „Es war immer eine Lüge.“
„Schulbücher und die Werbung sagten: "Es ist sicher." Sie haben uns belogen. Und ihre Entschuldigung war: "Es war außerhalb des anzunehmenden Rahmens"“, singt er. Doch der Song wurde auf Aufforderung seiner Plattenfirma von der Videoplattform YouTube entfernt. Das Video sei nur für den privaten Gebrauch bestimmt gewesen und unautorisiert auf YouTube gelangt, zitierte die Tageszeitung „Asahi Shimbun“ die Plattenfirma. Zum Thema Atomkraft gebe es „verschiedene Meinungen“, hieß es dazu bei Victor Entertainment.
Die junge Rapperin Coma-chi fordert Medien und Regierung auf, die Wahrheit über die Atomkrise zu sagen. „Sogar wenn Leben in Gefahr sind, sagt ihr nichts. Die Welt ekelt sich vor euch“, rappt sie in „Sag Nein!“. Im Mai besuchte Coma-chi das Katastrophengebiet, brachte Spenden und spielte vor Betroffenen.
Zehntausende Japaner sahen sich im Internet ein Video des atomkritischen Reggae-Musikers Rankin Taxi an. In dem Lied mit dem Titel „Du kannst es nicht sehen. Du kannst es auch nicht riechen“ singt er über den Schaden, den radioaktives Material anrichten kann. „Man kann davor nicht weglaufen“, singt Rankin Taxi. Und: „Der Mythos von der Sicherheit endete in Fukushima.“
In den japanischen Massenmedien findet die Musik jedoch kaum Gehör. Die wachsende Anti-Atom-Bewegung wird noch vielerorts ignoriert. Ein Grund: Die mächtigen Atomkonzerne sind wichtige Anzeigenkunden.
Ganz neu ist die Atomkritik japanischer Musiker nicht. Zwei Jahre nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl in der Ukraine im Jahr 1986 schrieb der bekannte Sänger Kiyoshiro Imawano eine Reihe von Stücken, die gegen die Regierung und Atomlobby gerichtet waren. Kurz nach dem 11. März erlebten seine Protestsongs ein Revival. Tausende suchten im Netz nach der Musik des Sängers, der 2009 gestorben ist.