Liebesbrief eines einsamen Wolfs

Patrick Wolf ist ein Musiker, der sein Image als Sonderling pflegt. Mit „Lupercalia“ geht der britische Elektro-Popper ein Wagnis ein. Düster war gestern. Jetzt heißt’s: Pomp!

Düsseldorf. Kleider machen Leute. Das gilt vor allem im Pop-Geschäft. Patrick Wolf scheint das zu wissen, denn seit er sich ausgefallen anzieht, klappt es auch mit seinem Erfolg. Nicht, dass der 27-jährige Engländer zu Beginn seiner Karriere vor acht Jahren in Lumpen auftrat. Aber schwierige Umstände ließen ihm einst wenig Spielraum bei der Wahl der Kostüme. Das hatte er sich selbst zuzuschreiben. Nachdem er nämlich mit 16 Jahren das Internat abbrach, entschloss sich der werdende Künstler früh zur Eigenregie seines Lebens: Im Londoner Vorort Richmond bezog er ein leeres Haus und begann sein Musikerdasein — ein Traum, der schon sehr lang in ihm reifte.

Als Sohn eines Künstlerehepaars — die Mutter Malerin, der Vater Jazzer — kam er schon als Kind in Kontakt mit Musik. Rachmaninow schlug in ihm eine Saite an. Als Sechsjähriger hörte er ein Stück des großen russischen Komponisten im Radio und war direkt hin und weg. „Es war so göttlich. In meinem kleinen Hirn hatte ich nur noch einen Gedanken: Das will ich auch machen!“

Nach Klavierstunden und erster Bekanntschaft mit Streichern versuchte er sich an jedem Instrument, das ihm vor die Füße fiel. Von Flöte und Ukulele über Akkordeon und Cembalo bis zu Theremin und Harfe probierte er so ziemlich alles aus. Jetzt fehlte nur noch ein Künstlername. Als Fan der Werwolf-Mythologie benannte er sich von Patrick Denis Apps in Patrick Wolf und buhlte um einem Plattenvertrag.

Doch Begabung und Motivation reichten nicht aus. Sein erstes Album „Lycanthropy“ (2003), das ein kleines Londoner Label herausbrachte, floppte trotz guter Kritiken. Dann ging ihm auch noch das Kleingeld aus und er lernte das Leben auf die härtere Tour kennen. Um sich ein paar Pfund hinzuzuverdienen, betätigte er sich als Gastviolinist von Bands wie Chicks on Speed und The Hidden Cameras — Popmusik, die zumindest eines mit seinem Stil gemeinsam hatte: die Affinität zum 80er-Synthiesound.

Das, was Wolf in den Folgejahren lernte, waren Durchhaltevermögen und der Mut, seine Identität als Paradiesvogel mit rot gefärbtem Haar und abgedrehten Klamotten auszuleben. Mit dem dritten Album „The Magic Position“ (2007), auf dem er ein Duett mit Marianne Faithfull („Magpie“) sang und das bis auf Platz 46 der UK-Album-Charts stieg, schlich sich auch der Erfolg ein.

Der nun erschienene Nachfolger „Lupercalia“ soll darauf aufbauen, und Wolf ließ sich einiges einfallen. Schon der Titel deutet an, worum es geht: Der Begriff Luperkalien (so die deutsche Schreibweise) enthält nicht nur seinen Namen (lat.: Lupus = Wolf), er benennt auch das alt-römische Fest der Fruchtbarkeit — der wüste Vorläufer des christlichen Valentinstags.

Für Wolf stellt Luperkalien einen himmlischen Zufluchtsort dar, an dem selbst in schweren Zeiten die Liebe gefeiert wird. „Es klingt für mich wie ein Ort, den man einfach unheimlich gern besuchen möchte. Und auch die Bedeutung ist für mich wichtig. Sie fasst die Aussage jedes einzelnen Songs zusammen. Beides feiert die Ergründung der Liebe.“

Das drückt sich auch in den Texten aus, die er so verfasst hat, als seien sie einem Tagebuch entsprungen. Bewusst oder unbewusst ist ihm das authentisch gelungen. „Als das Album fertig war, merkte ich plötzlich, dass alles an eine einzige Person gerichtet ist. Alles dreht sich darum, dass einem im Leben ein Mensch oder dessen Liebe fehlt oder man sie braucht. Ich schätze, das Album ist ein einziger langer Liebesbrief.“

Stilistisch orientiert sich Wolf merklich um. Statt, wie auf den Alben zuvor, Elektronik als Basis zu nutzen, ist „Lupercalia“ orchestraler ausgefallen — die Folge davon, dass er versucht hat, alle Songs für ein Instrument zu schreiben, beispielsweise das Klavier.

Auf der Tour sollen seine Fans diesen Wandel zu spüren bekommen. Noch ist es eine Überraschung, aber Wolf verspricht mehr Einfachheit und Qualität. „Das Album ist so persönlich und ehrlich — da braucht es drumherum nicht viel Theater.“

Und ob er auf pompöse Glitzer- und Federkostüme verzichten wird oder eher im feinen Zwirn, wie im Video zur neuen Single „House“, auftreten wird, bleibt abzuwarten. Doch ohne ein Maß an exotischem Spiel geht bei Patrick Wolf grundsätzlich nichts.