Neoklassik im November: Broderick und Frahm

Berlin (dpa) - Zwischen Nils Frahm und Peter Broderick gibt es viele Verbindungen. Sie sind Freunde und helfen sich gegenseitig im Studio oder auf der Bühne. Im November sind auf dem rührigen Mini-Label Erased Tapes ihre beiden neuen Alben erschienen.

„Float 2013“ von PETER BRODERICK ist - wie der Titel schon vermuten lässt - überwiegend eine Neuauflage älteren Materials. Der inzwischen aus Berlin nach Portland/Oregon zurückgekehrte Amerikaner hat sein Debüt „Float“ von 2008 im Studio mit Frahms Unterstützung überarbeitet - ausgehend von „der Überzeugung, dass das Potenzial dieses Projekts zuvor nicht ganz erreicht wurde“. Den remasterten Tracks des Originals fügte Broderick zwei Bonusstücke hinzu, so dass nun ein komplettes Album mit knapp 36 Minuten Laufzeit vorliegt.

Zu hören ist hier nicht der Singer/Songwriter oder Efterklang-Musiker Broderick, sondern der stilbewusste Arrangeur und Multi-Instrumentalist. Broderick spielt unter anderem Piano, Keyboards, diverse Streichinstrumente, singende Säge, Theremin, Akkordeon, Trompete und Bass. Hier und da begleiten ihn Amanda Lawrence und Skyler Norwood, aber im Prinzip ist „Flood 2013“ ein Solowerk.

Und ein sehr schönes - voll träumerischer Melodien, die man sich gut als Soundtrack zu einem Film mit herbstlicher Stimmung vorstellen kann. Manches erinnert an die „Amélie“-Musik von Yann Tiersen („A Snowflake“), anderes klingt zart-impressionistisch. Ein würdiger Abschied des 26-jährigen Broderick nach einer überaus kreativen Zeit in der deutschen Wahlheimat.

Auch der in Berlin lebende Komponist, Produzent und Pianist NILS FRAHM ist schon lange in der Neoklassik-Szene vernetzt und sorgt notfalls auch mit gebrochenem Daumen für Furore - das Soloalbum „Screws“ war voriges Jahr unmittelbare Konsequenz dieser Verletzung. Mit „Spaces“ lebt er nun wieder einmal seine Experimentierlust aus, und zwar erstmals in Live-Aufnahmen, die über einen Zeitraum von zwei Jahren gesammelt und collageartig zusammengesetzt wurden. Nach einigen der bis zu 16 Minuten langen Stücke ist denn auch frenetischer Applaus zu hören.

Und das völlig zu Recht. Denn Frahms außergewöhnliches Talent wurde noch nie so deutlich wie in den hypnotischen Momenten (das fantastische „Says“), melancholischen Stimmungsbildern und ambitionierten Instrumentalsuiten dieses Albums. Als Vorbild kommt der zeitgenössische Komponist Philip Glass („Koyaanisqatsi“) in den Sinn - wobei der 31-jährige Berliner es nicht beim repetitiven Wohlklang belässt, sondern auch elektronische Beats und Synthesizer-Effekte einbaut.

„Er ist ein rastloser, absolut überzeugender Improvisator“, schrieb kürzlich bewundernd der britische „Guardian“ und fügte hinzu: „Selbst wenn er die Klaviersaiten mit einer Toilettenbürste misshandelt, schafft Frahm etwas Faszinierendes.“ Das Talent des liebenswert verstrubbelt wirkenden deutschen Musikers hat sich also längst international herumgesprochen. Sein neues Album „Spaces“ ist nicht nur wegen der 76 Minuten Spieldauer ein monumentales Neoklassik-Werk.