Neue CD von Paolo Nutini: Mit Stimme, Groove und Gefühl
Der Schotte Paolo Nutini präsentiert sein drittes Studioalbum: Musik gewordene Geschichten mitten aus dem Leben.
Düsseldorf. Als Paolo Nutini klein war, wollte er Zorro werden — ein Kämpfer für die Gerechtigkeit. Als er größer wurde, half er seinen Eltern in der eigenen Fish’n’Chips-Bude und war als Thronfolger an der Fritteuse gesetzt.
Er wäre Generation Nummer vier gewesen, die Pommes und Backfisch zubereitet und serviert. Und wäre es nach dem Opa gegangen, dann würde Paolo Nutini heute entweder Arien schmettern oder Dudelsack spielen, denn der Großvater schwärmte für die Eleganz der Oper und die Urkraft des schottischen Folk.
Paolo Nutini entschied sich für die Mitte und nahm den Soul. Heute ist er 27 und einer der erfolgreichsten Singer-Songwriter. Weil er sich im schottischen Paisley, einem Vorort von Glasgow, dafür entschied, ein Kämpfer für gute Musik zu werden — also zumindest ein bisschen so wie Zorro.
Weil er einer ist, der den Menschen den Soul und dessen zig Spielarten zum Glücklichsein serviert — eben so wie der Imbissbesitzer seinen Kunden Fisch und Fritten an den Tisch bringt. Und weil Paolo Nutini am Mikrofon von Grandezza bis hin zu ungestümer Leidenschaft (so spielen die Schotten die Lieder ihrer Väter) alles drauf hat.
Jetzt steht sein drittes Studioalbum in den Plattenläden: „Caustic Love“. Das ist so überzeugend, dass man sich sogar einen Schotten wie den ehemaligen Fußballtrainer und Disziplin-Fanatiker Sir Alex Ferguson dabei vorstellen könnte, wie er selbstvergessen und aufgeregt wie ein beschwipster Teenager auf der Tanzfläche mit dem Schottenrock wedelt.
„Caustic Love“ hat all die Zutaten, die schon „These Streets“ (2006) und „Sunny Side Up“ (2009) zu Verkaufsschlagern machten: Stimme, Groove und Gefühl. Stücke wie „Scream (Funk me up)“ oder „One day“ könnten geradewegs den guten alten US-Soul-Schmieden Motown oder Stax entstammen, so satt und treibend drängen Gitarre, Bass und Schlagzeug voran.
Außerdem klingt Nutini — dessen Vorfahren einst aus Italien nach Schottland kamen — nicht etwa wie seine Landsmänner Adriano Celentano (Italien) oder Rod Stewart (Schottland). Nein. Er klingt eher so wie der berühmteste Mann, der je auf dem Traditionslabel Atlantic, bei dem auch Nutini unter Vertrag steht, sang: Otis Redding. Wenn es höher rauf geht in der Tonlage, dann lugt gar Marvin Gaye um die Ecke.
Dass Nutini mit gerade einmal 17 Jahren daheim auszieht, in den vor Reizüberflutung aber auch Chancen jedweder Art flirrenden Moloch London geht, sich dort als Pubsänger und Roadie von Rockbands durchschlägt und irgendwann von Atlantic-Boss Ahmet Ertegun entdeckt wird, ist kein Zufall.
Es ist vielmehr zwangsläufig — weil er nun mal Stimme und Groove hat. Die Gelegenheit, das unter Beweis zu stellen, geben dem jungen Nutini Künstler wie Paul Weller, die Röhre KT Tunstall und Amy Winehouse. Bei ihnen tritt der Jungspund im Vorprogramm auf. Und bei jedem Auftritt haut er seine Musik-gewordenen Geschichten ums Leben, um Liebe und Leidenschaft kratzig oder sanft und schillernd raus.
Dass mancher bei so einem Mann nach dem faulen Ei inmitten des mit Musik prall gefüllten bunten Präsentkorbs sucht, ist klar. So sieht sich Paolo Nutini denn auch immer wieder mal dem Vorwurf des „zu früh“ und „zu jung“ ausgesetzt. Nach dem Motto: Wer Superstar werden will, sollte sich Zeit lassen.
Aber auch Unkenrufen begegnet Nutini mit Soul, mit Seele: Es könne nie zu früh dafür sein, großartige Erfahrungen zu sammeln, sagte er jüngst in einem Interview. Und überhaupt: Auch als Teenager könne man wissen, was man will, und seinen Weg gehen.
Er geht ihn derzeit. Mit großen, ausladenden Schritten — wenn er nicht gerade tanzt.