Saiten-Zauber: Jonathan Wilson live in Berlin
Berlin (dpa) - Ein großer Redner ist Jonathan Wilson nicht. Seine Kommunikation mit dem Publikum fällt freundlich, aber sparsam aus. Viel lieber lässt der Amerikaner seine Gitarre und seine wunderbaren Folkrock-Songs sprechen.
Mehr braucht es am Freitagabend auch gar nicht für ein fantastisches Konzert im restlos ausverkauften Berliner „Bi Nuu“. Selten erlebt man eine so perfekt eingespielte, in langen Gitarren-Jams geübte, virtuose und zugleich lässige Band wie das Quintett um den Enddreißiger aus Kalifornien. Dass diese Musik für den bestenfalls mittelgroßen Club eigentlich viel zu monumental ist - geschenkt. Demnächst gastiert die Truppe wohl eher auf den großen Festivalwiesen, da freut man sich jetzt doppelt über diesen Auftritt im kleinen Rahmen.
Wilson ist einer dieser langhaarigen, bärtigen Späthippie-Typen, die derzeit den Folkrock mit einer Rückbesinnung auf die goldenen 70er Jahre aufmischen: Crosby Stills Nash & Young, The Byrds, Jackson Browne, Pink Floyd, The Eagles, um ein paar Referenzen zu nennen. Als Produzent ist er schon länger ein gefragter Mann. Und auch als Singer/Songwriter und Gitarrist hat er sich seit seinem Debüt „Gentle Spirit“ (2011) vom Geheimtipp zu einem der besten Rockmusiker des Landes entwickelt. Das im Oktober erschienene zweite Album „Fanfare“ zierte etliche Jahresbestenlisten.
Neue Songs wie „Dear Friend“, „Moses Pain“ oder „Fazon“ bilden denn auch den Kern von Wilsons Frühjahrs-Gigs. Die ohnehin schon ausufernden Tracks werden im Konzert mit Gitarren-Duellen oder pschedelischen Orgel- und jazzigen Piano-Einschüben auf bis zu 15 Minuten gedehnt, ohne dass Langweile aufkommt. Man sieht Wilson - kein großer Sänger, aber ein fabelhafter Gitarrist - einfach gern bei der Arbeit zu. Wie er ohne Angeber-Attitüde Staunenswertes aus seinem Instrument herausholt und seinen Kollegen doch immer wieder Raum gibt, das weist ihn zudem als fairen Band-Boss aus.
Dass Jonathan Wilson in der US-Rockszene bestens vernetzt ist, zeigt ein Überraschungsauftritt im Zugabenblock des Berliner Konzerts: Plötzlich steht Conor Oberst (Bright Eyes, Monsters Of Folk) auf der Bühne und steigt in einen alten Neil-Young-Song mit ein. Kein Zufall: Wilson ist Produzent des neuen Oberst-Soloalbums „Upside Down Mountain“, das am 16. Mai in Deutschland erscheint und auf der neuen US-Folkrock-Welle mitreiten soll.
Weitere Auftritte: 7.4. Hamburg, Übel & Gefährlich, 8.4. Köln, Kulturkirche, 9.4. Zürich, Mascotte