Neues Album: Jan Delay gibt den Rocker
Der Hamburger mit der nasalen Stimme probiert auf „Hammer & Michel“ eine für ihn neue Musikrichtung aus.
Düsseldorf. Die Rockerposen kann er schon ganz gut — aber kann Jan Delay auch musikalisch überzeugen? Auf seinem neuen Solo-Album „Hammer & Michel“ gibt der 37-Jährige den Rocker — oder vielmehr das, was er sich darunter vorstellt. Delay, der eigentlich Jan Phillip Eißfeldt heißt, startete durch mit der Hip-Hop-Band „Absolute Beginner“, machte solo schon Reggae, dann Funk und Soul. Einzige Konstante seiner eigenen Platten: die Wortspiele in den Albumtiteln. „Mercedes Dance“ (2006) und „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ (2009) stürmten die Charts — und auch „Hammer und Michel“ wird schon allein wegen der Internet-Vorbestellungen auf Platz eins der Charts landen.
Es sei eine Herausforderung, immer etwas Neues auszuprobieren, hat der Musiker einmal gesagt. „Irgendwann in 20, 30 Jahren schreib’ ich dann Opern.“ Zunächst aber Rock — wobei Jan Delay hier weder Mädchen-Indie-Alternative-Musik nacheifert noch den richtig harten Heavy-Metal-Tönen. „Wenn ich Rock mache mit meiner Disko-No.1-Band, ist es nicht Rock-Rock, sondern Tanz-Rock“, beschreibt er den Stil. Vor allem die Gitarristen seiner Band dürften mehr zu tun haben, weil die zwölf Lieder auf der Platte besonders mit Gitarrenriffs bestückt wurden, die bisweilen an 80er Jahre-Rock oder „Classic Rock“ erinnern. Schön ist anders, denkt man beim Zuhören an vielen Stellen — nämlich immer dann, wenn Delay versucht, besonders rockig zu sein.
Frischen Wind wolle er in seinem Leben, singt Delay gewohnt nasal im Song „Wacken“. Darum schaut er mal zu diesen Rockern, die er mit „Dosenbier und Iron Maiden“ assoziiert. Nicht sehr originell. Das ist schade, weil doch die Stärken von Jan Delay bislang die tolle Funk-Band und seine pointierten, gewitzten Reime waren. Ganz gesellschaftskritisch gibt sich der Hamburger in „Dicke Kinder“. Dort kritisiert er die schlechten Essgewohnheiten in manchen Familien: „Der Kevin und die Sandy und die Mama und der Papa/Die machen alle viel und gerne Happa-Happa“ heißt es da und „Immer derbe Konserven, nix Frisches“. Gesellschaftskritik hat Delay schon besser verpackt.
In Zeiten, in denen Menschen dicke Hornbrillen, Jutebeutel und Opas Strickjacke tragen, weiß man nie so genau, wo Ironie aufhört und schlechter Geschmack beginnt. Einige Lieder auf dem neuen Album wirken zu aufgesetzt. Bestes Beispiel die „Scorpions-Ballade“. Sie erinnert — mit einem „Wind of Change“-Gitarrensound — auch an eine solche oder an ein Imitat eines Bap-Liedes. Inhaltlich beklagt Delay: „Faschos hören Tupac/die Bullen Bob Marley“. Das passt nicht zu den Ideen, die er von der Welt hat. Eine Welt mit Schubladen, auf denen Etiketten wie „Hip-Hop“, „Rock“ oder „Pop“ stehen. Damit steht er sich selbst im Weg.
Die Lieder nämlich, die weniger „Rock“ imitieren, kommen ohne Weiteres an Delays Hits wie „Klar“ ran. „Sie kann nicht tanzen“ und „Straße“ sind eingängige, funkige Tanznummern, die Spaß machen — und Delays Fans versöhnen werden. Mit den „Rock“-Nummern wie „Liebe“ oder das als Hamburg-Hymne angelegte „St. Pauli“ wird er aber wohl kaum Rock-Fans von sich überzeugen können — zu banal. Hoffentlich lässt Delay für die kommenden Platten die Schubladen „Funk und Soul“ offen — die „Rock“-Schublade kann er aber getrost wieder verschließen.