Neuer „Tannhäuser“ in Bayreuth ausgebuht

Bayreuth (dpa) - Die Energiewende ist auf dem „Grünen Hügel“ angekommen. Eine riesige Biogasanlage mit allerlei Kesseln voll brodelnder Flüssigkeiten samt einem knallroten „Alkoholator“ gibt das allzu nüchterne Bühnenbild für Richard Wagners neuen „Tannhäuser“ zur Eröffnung der 100. Bayreuther Festspiele.

Diese Art Biokreislauf - Nahrungserzeugung aus menschlichen Abfällen - entspricht dem Leben auf der Wartburg als Ort eines geordneten Systems.

Mit dieser technokratischen Sicht des Regieteams um Sebastian Baumgarten auf den ewigen Gegensatz zwischen wahrer Liebe und bloßer Begierde konnte das Premierenpublikum am Montagabend nichts anfangen. Es buhte die Inszenierung nach Leibeskräften aus, ja es mischten sich gar voller Wut hinausgeschriene Fäkalausdrücke unter das Meer der Missfallensbekundungen. Ein bisschen mehr Opernidylle hätte es bitteschön schon sein sollen, war die einhellige Meinung im Publikum.

Bühnenbildner Joep van Lieshout mutet den Zuschauern drei Stunden am Stück Fabrikhallenkälte zu, der Venusberg existiert praktisch nicht, er steigt lediglich einige Male als Käfig aus dem Boden empor. Darin tummeln sich affenartige Menschen und treiben es animalisch. Einige lebensgroße Spermien-Attrappen (oder sind es doch nur Kaulquappen?) hüpfen herum und sollen wohl das auf Fortpflanzung ausgerichtete Triebverhalten des Menschen symbolisieren.

Passend dazu ist Venus hochschwanger und herzt am Schluss stolz ihr Neugeborenes. Ob Tannhäuser der Vater ist? Ratlos entlässt Baumgarten das Publikum in den lauen Sommerabend, nachdem Elisabeth - die personifizierte wahrhafte Liebe - zuvor auch noch im Gaskessel Schluss gemacht hat. „Wenn mir das nur jemand erklären könnte“, soll Bayreuth-Stammgast Gloria von Thurn und Taxis in einer der Pausen gesagt haben.

Leider reißt es auch Dirigent Thomas Hengelbrock - wie praktisch alle Protagonisten zum ersten Mal am „Grünen Hügel“ engagiert - nicht heraus. Mit flotten Tempi huscht er beinahe durch das dreistündige Werk. Das bestens disponierte Festspielorchester mit glänzend aufspielenden Blechbläsern folgt ihm aber hochkonzentriert.

Sängerisch wie darstellerisch blass bleibt Lars Cleveman in der Titelrolle. Seinem Tenor fehlt der Glanz, das Dramatische in der Stimme. Er kann keine musikalischen Bögen spannen, stemmt die hohen Töne vielmehr heraus. Der Debütant muss am Ende mit höflich verhaltenem Beifall auskommen.

Dagegen steigert sich Camilla Nylund als Elisabeth im Laufe des Abends hörbar, während Venus Stephanie Friede mitunter unnötig forciert. Günther Groissböck überzeugt als sonorer Landgraf, Michael Nagy gibt einen fast lyrischen Wolfram von Eschenbach. Katja Stuber hüpft als junger Hirt burschikos-beschwipst durch die Handlung. Fels in der Brandung: Bayreuths stimmgewaltig auftrumpfender Festspiel-Chor (Einstudierung: Eberhard Friedrich), der orkanartigen Beifall einheimst und in der Abenddämmerung eines aufwühlenden Tages doch noch für einen versöhnlichen Schlusspunkt sorgt.