Panikrocker Udo Lindenberg greift zu den Sternen
Hannover (dpa) - Erst geht es durch einen Gewittersturm auf hoher See, dann hebt Udo Lindenberg ab zu den Sternen: Mit einer spektakulären Bühnenshow hat der Rockstar am Donnerstag seine Stadiontour in Hannover gestartet.
Gleich zum Auftakt fliegt er in einer Stahlkapsel über die Konzertbesucher hinweg. „So 'ne Art Familienfeier heute. Die Experten treffen sich, 15 000 Leute“, begrüßt der 69-Jährige - gewohnt lässig mit Hut und Sonnenbrille - das Publikum der öffentlichen Generalprobe. „Panikparty“ nennt Lindenberg die Shows, die sein Lebenswerk krönen sollen.
Nach zwei Auftritten in Hannover steht neben Frankfurt am Main auch erstmals das Berliner Olympiastadion auf dem Tourplan. Die Shows in Frankfurt und am Freitag in Hannover sind bis auf wenige Restkarten ausverkauft. In Berlin wurden bisher 47 000 Tickets abgesetzt. Nach mehr als vier Jahrzehnten auf der Bühne ist der Musiker aus Gronau im Münsterland so erfolgreich wie nie - und fitter als so mancher 40-Jährige.
Lindenberg rennt, hüpft und tanzt während der rund dreistündigen Show, ohne sich eine Pause zu gönnen. Ihn begleiten sein Panikorchester und prominente Kollegen und Freunde wie der Sänger Clueso oder Komiker Otto Waalkes. Als gleich zu Anfang das Mischpult kurz ausfällt, überbrückt er das mit Tanzeinlagen und Eierlikör-Gurgeln. Ab und zu gönnt sich Udo noch ein Likörchen, der Alkohol fließt aber längst nicht mehr in Strömen.
Wie schon bei seinen ersten Stadionkonzerten vor einem Jahr schiebt sich zu Beginn ein Schiff aus einem tosenden Meer in den Bühnenraum, später schwebt ein Ufo mit Außerirdischen vom Nachthimmel herab. Der Dauerbewohner des Hamburger Hotels „Atlantic“ wartet mit virtuosen Musikern und sexy Tänzerinnen auf, wie es sich für eine Rockshow im Stadion gehört.
Gleichzeitig schafft der Sänger intime Momente, zum Beispiel wenn er seine berühmte Ballade „Hinterm Horizont“ singt. Dann nimmt der Panikrocker die große Sonnenbrille ab und lässt die Menschen in der Arena direkt in seine Seele blicken. Tausende hören dann ganz genau hin. Udo Lindenberg ist auch ein Dichter, der Gefühle in klaren Worten genau beschreibt.
Und er ist ein politischer Künstler. 1983 besang der Musiker aus dem Westen den „Sonderzug nach Pankow“. Dort wollte er mit dem „Oberindianer“ der DDR etwas klären. Lindenberg erhebt seine Stimme im Konzert in Hannover gegen Neo-Nazis und wirbt für eine „Bunte Republik Deutschland“. „Ich frag mich, wie oft ich dieses Lied noch singen muss“, sagt der 69-Jährige vor dem Song „Wozu sind Kriege da?“, den er mit einem Kinderchor präsentiert und der viele im Publikum zu Tränen rührt.
In Hannover stellt er seinen neuen Song „Wir werden Freunde“ vor. Die Boxerin Susi Kentikian, die als Kind mit ihrer Familie aus Armenien flüchten musste, habe ihn dazu inspriert, sagt Lindenberg. „Das hier ist ihr gewidmet und allen Flüchtlingen, denen ein sensibles Entgegenkommen zusteht.“
Lindenberg regt zum Nachdenken an, ohne erhobenen Zeigefinger. Und es macht Spaß, dem Panikrocker zuzuschauen. Seine ironische Selbstinszenierung hat er perfektioniert. Zum Abschluss der Show entführt ihn ein Heer von Hotel-Pagen. Lindenberg schlüpft in einen weißen Astronautenanzug, steigt in die Kapsel und schwebt empor - zurück in Udos Universum. Nach Knallerei und Feuerwerk steht in Leuchtschrift „Keine Panik“ über der dunklen Bühne.