Jubel Tina-Turner-Tributshow als fast perfekte Illusion
Frankfurt/Main (dpa) — So ziemlich alles passt an dieser Tina Turner. Die mehrfach wechselnde Frisur, die Outfits, die Bewegungen, die Schritte, das Lachen und Reden und vor allem das Singen.
Es ist aber natürlich nicht Tina Turner selbst, die bei der Uraufführung von „Simply the Best“ in Frankfurt auf der Bühne steht, singt und tanzt und 1700 Menschen unterschiedlicher Generationen mitreißt. Der Jubel in der Alten Oper gilt am Ende einer zweieinhalbstündigen Show der Sängerin Dorothea „Coco“ Fletcher und ihren musikalischen Mitstreitern. Sie haben nicht nur eine musikalische Zeitreise durch fünf Jahrzehnte präsentiert.
Die Show des Erfolgsproduzenten Bernhard Kurz vermittelt auch, skizzenhaft und trotzdem überzeugend, Einblicke in den wechselvollen Lebens- und Karriereweg der 1939 in Tennessee geborenen Künstlerin. Nach ersten Erfolgen und komplettem Absturz schaffte sie den Weg zurück ins Showgeschäft und schließlich mit über 180 Millionen verkauften Tonträgern und Rekordtourneen zu einer der weltweit erfolgreichsten Sängerinnen.
Am Tiefpunkt ihrer Karriere und ihres Lebens, nach der Trennung von ihrem drogenabhängigen und gewalttätigen Mann Ike Turner im Jahr 1976, besaß Tina Turner gerade noch 36 Cent, erfahren die Besucher der Show. 2014 wurde das Vermögen der Sängerin und Schauspielerin, die seit langem in der Schweiz lebt und 2013 auch die Staatsbürgerschaft ihrer Wahlheimat erhielt, auf 225 Millionen Schweizer Franken geschätzt.
Dass dieser Lebensweg das Zeug zum Bühnenstück hat, wie vorher auch schon für autobiografische Bücher und Filme, liegt auf der Hand. Der Begriff Musical mutet für diese Produktion dabei ein wenig übertrieben an. Eher ist es eine Tributshow mit biografischen Einsprengseln.
Erzähler, die gleichzeitig reelle Figuren aus Tina Turners Leben wie etwa den späteren Manager Roger Davies verkörpern, schaffen eher am Rande die Rahmenhandlung. Sie liefern in chronologischer Reihenfolge ein paar Fakten und Anekdoten - von den Anfängen als Backgroundsängerin in einem Nachtclub in St. Louis über die Tourneen mit der Aufsehen erregenden „Ike & Tina Turner Revue“ bis zur zunächst mühsamen, später fulminanten Solokarriere. Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Musik, nach der Pause wird fast völlig auf gesprochenen Text verzichtet. Das Publikum stört es nicht, im Gegenteil.
Die Krisen der Tina Turner werden galant über nette Songs abgehandelt. „Tina, why do you love that guy?“ (Tina, warum liebst du diesen Kerl?) singen naiv die Background-Sängerinnen. Brutale Prügel- und Drogenszenen, die es im echten Leben gab, bleiben dem Publikum erspart. Nichts stört die beste Stimmung und gute Laune im voll besetzten Saal. Stattdessen gibt es Hits ohne Ende aus allen Phasen der Karriere, von „Nutbush City Limits“ über „Private Dancer“ und „We Don't Need Another Hero“ aus der „Mad Max“-Verfilmung mit Turner in der Rolle Aunt Entity bis natürlich zum Titelsong der Show. Aber auch weniger bekannte Lieder kommen bestens an.
Was „Simply the Best“ zum lohnenden Ereignis für alle Fans macht, ist die absolute Klasse der Darsteller und Musiker. Dorothea „Coco“ Fletcher verkörpert seit Jahrzehnten Tina Turner in der Berliner Dauerbrenner-Show „Stars in Concert“, war aber unter anderem auch Live-Duettpartnerin von Udo Jürgens bis zu dessen Tod im Jahr 2014. Jordan John, der Ike Turner darstellt, aber auch als Sänger und Gitarrist begeistert, hat eine ähnlich eindrückliche Referenzliste (Aretha Franklin, Prince, Ray Charles) wie die weiteren hochkarätigen Livemusiker der Show. Zusammen mit wohl dosierten Original-Filmeinspielungen entsteht die fast perfekte Illusion, tatsächlich Tina Turner zu erleben.
Ausgespart bleibt die Zeit nach Tina Turners Livekarriere. Die praktizierende Buddhistin, die 2013 ihren langjährigen deutschen Lebensgefährten Erwin Bach heiratete, hat sich der Weitergabe ihres spirituellen Wissens verschrieben. Nach dem Ende ihrer Karriere als zunächst Blues-, dann Soul-, dann Rock- und schließlich Popstar hat sie zusammen mit Kindern, Lehrern und Künstlern einige Alben mit Mantras und Gesängen unterschiedlicher Religionen veröffentlicht.
Bis mindestens in den April hinein tourt „Simple the Best“ nun durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Weitere Termine sind nach Angaben der Veranstalter bereits geplant.